Das seit 2019 geplante neue Forschungsgebäude steht für eine Wende hin zu regenerativem Bauen mit erneuerbaren Bauwerkstoffen, einer erheblichen Reduktion des Ressourcenverbrauchs und der CO2-Emissionen sowie einem bilanziell klimaneutralen Gebäudebetrieb vom ersten Tag der Nutzung an.
Die geplante Baumaßnahme und ihr rechtlicher Rahmen
Die Universität Stuttgart plant einen innovativen Forschungsneubau in eigener Bauherreneigenschaft, für dessen Vorbereitung Baumfällarbeiten auf dem Baugrundstück notwendig sind. Das Baugrundstück liegt innerhalb des Campus Vaihingen und besteht aus Baumbestand und versiegelter Fläche (Parkplätze und eine Erschließungsstraße). In direkter Nachbarschaft stehen weitere Universitätsgebäude.
Der Neubau besteht aus einem Erdgeschoss und zwei Obergeschossen. Am Scheitelpunkt des Dachs hat er eine Höhe von 16 Metern. Für das geplante Gebäude liegen neben der Baugenehmigung der Stadt Stuttgart von August 2023 sämtliche benötigten Gutachten zum Natur- und Artenschutz sowie die erforderlichen Bescheide der zuständigen Behörden vor. Alle Auflagen der Naturschutzbehörden, der Forstämter und der Stadt Stuttgart werden erfüllt. Die Genehmigung des zuständigen Regierungspräsidiums Freiburg zu einer so genannten Waldumwandlung mit Ausgleichsmaßnahmen liegt seit Oktober 2023 vor.
Natur- und Artenschutz
Die Universität wird Ausgleichsmaßnahmen mit einem Wertefaktor von 2,5 im Vergleich zu der bestehenden Waldfläche durchführen. Dazu zählen zum Beispiel Aufforstungsmaßnahmen und der Rückbau eines Schotterweges. Zudem werden Dreibeine mit Nisthöhlen in unmittelbarer Nähe zum Baugrundstück aufgestellt, die den Tieren weiterhin Schutz und Unterkunft bieten können, und Brutstätten von Vögeln und Quartiere von Fledermäusen wiederhergestellt. Hinzu kommen Maßnahmen zum Schutz holzbewohnender Käfer (sog. Totholzpyramiden) und von Amphibien sowie zur Bekämpfung invasiver Arten wie auch zur Vermeidung von Lichtemissionen.
Auswahl und Zuschnitt des Standorts
Für das Bauvorhaben wurden Standortalternativen geprüft. Anderweitige Flächen der Universität Stuttgart sind aufgrund ihrer Lage, Größe sowie fehlendem räumlichen Zusammenhang zum Campus Vaihingen allerdings nicht geeignet.
Um eine Baugenehmigung des Forschungsneubaus auf den bestehenden Parkplätzen des Universitätscampus zu erhalten, müssten wiederum zusätzliche Parkplätze an anderer Stelle oder ein gleichwertiges Parkhaus errichtet werden, zumal andere Neubauten, z.B. für die Physik, ebenfalls bereits auf Parkplätzen errichtet werden.
Der endgültige Standort innerhalb des Baugrundstücks wurde nach einer Machbarkeitsstudie festgelegt. Das Baufeld wurde dabei auf das unbedingt erforderliche Minimum beschränkt und auf teilweise bereits überbaute Flächen verlegt. Es wird mit Ausnahme von zwei barrierefreien Stellplätzen auf zusätzliche PKW-Stellplätze verzichtet. Stattdessen werden 20 Fahrradstellplätze errichtet. Das Baugrundstück ist sehr gut an das Straßennetz angebunden und benötigt für die Baustelle und den späteren Betrieb keine zusätzlich zu errichtende Straße, die weitere Fläche versiegeln würde.
LCRL zeigt das in Stuttgart entwickelte nachhaltige Bauen der Zukunft
Mit dem Forschungsneubau werden erstmals die an der Universität Stuttgart in den vergangenen Jahren entwickelten Leichtbau-Konstruktionsprinzipien in einem dauerhaften Gebäude umgesetzt. Ziel der Rohbaukonstruktionen ist es, durch neuartige Baumethoden den Materialeinsatz zu optimieren, den Einsatz erneuerbarer Bauwerkstoffe zu maximieren und so sowohl in der Bauerstellung als auch im Gebäudebetrieb CO2-Emissionen, Ressourcen- und Energieverbrauch zu minimieren.
Zum Einsatz kommt ein mehrgeschossiges Holzbausystem, das im Vergleich zu üblichen Konstruktionen den Materialverbrauch um bis zu 40 Prozent reduziert. Das weitgespannte Dach des Bauwerks besteht ebenfalls aus einer neuartigen, an der Universität Stuttgart entwickelten Holzbaukonstruktion, für die eine Reduktion des Erderwärmungspotenzials von über 60 Prozent im Vergleich zu anderen Holzbaukonstruktionen berechnet wurde. Selbst Fundamente und Bodenplatte bestehen aus Gradientenbeton, einem an der Universität Stuttgart entwickelten, robusten Bauwerkstoff, der den Materialverbrauch und die grauen Emissionen um bis zu 50 Prozent reduziert. Auch für den Innenausbau sollen schnell nachwachsende, natürliche Baustoffe wie etwa Biofaserkomposite verwendet werden. Mit dem Neubau soll es gelingen, von der Grundlagenforschung schnell in die Anwendung zu kommen.
Die Wärmeversorgung wird nicht über fossile Energieträger, sondern über Erdwärme erbracht. Die Dachflächen des Hauptgebäudes sollen vollflächig mit Photovoltaikanlagen belegt werden. Ein wesentliches Projektziel ist die Entwicklung einer zukunftsweisenden Energiekonzeption, die mit Betriebsbeginn des Gebäudes eine bilanzielle Klimaneutralität garantieren soll.
Wie das Exzellenzcluster IntCDC das Bauen grundlegend nachhaltiger macht
Ungefähr 40 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen, rund 40 Prozent des Energie- und Ressourcenverbrauchs und rund 50 Prozent des globalen Müllaufkommens gehen auf den Bausektor zurück. Gleichzeitig gibt es angesichts zunehmender Verstädterung und einer stark wachsenden Weltbevölkerung einen enormen Neubaubedarf. Ohne ein grundlegendes Umdenken im Bereich der Bauwirtschaft kann daher weder das Klima geschützt, noch der CO2-Ausstoß gesenkt noch die Transformation in eine gerechte und nachhaltige Gesellschaft gestaltet werden.
IntCDC ist das bundesweit erste und bislang einzige Exzellenzcluster im Bereich Architektur und Bauwesen und hat seit seinem Start im Jahr 2018 weltweit Sichtbarkeit erlangt. Forschende aus der Architektur, dem Ingenieurwesen, der Produktions- und Systemtechnik, Informatik und Robotik sowie den Sozial- und Geisteswissenschaften arbeiten daran, das Bauen ökologisch, ökonomisch effizient und ressourcenschonend zu machen. Ziel ist es, mittels digitaler Planungsmethoden und KI-gesteuerter Fertigungsprozesse mit wesentlich weniger Material deutlich schneller zu bauen. Damit leistet das Cluster nicht nur einen substanziellen Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels und zur Senkung der CO2-Emissionen, sondern auch zum Aufbau einer lebenswerten und nachhaltigen Gesellschaft.
Architektur und Adaptives Bauen an der Universität Stuttgart
Florian Krüger
Dr.Leiter Hochschulkommunikation und Pressesprecher