Während die digitale Welt immer größer wird, erforschen Wissenschaftler*innen die bemerkenswerte Fähigkeit der DNA, Daten zu speichern, und verwandeln dieses uralte Molekül in ein Informationsarchiv der nächsten Generation. Seit den 1980er Jahren gilt die DNA aufgrund ihrer außergewöhnlichen Dichte und Stabilität als ideales Medium zur Datenspeicherung. Im Vergleich zu herkömmlichen Silizium-Speichern kann sie bis zu einer Milliarde Mal mehr Informationen im gleichen Volumen speichern und kodierte Sequenzen können unter den richtigen Bedingungen Jahrhunderte überdauern.
Riesige Datenmengen auf kleinstem Raum über lange Zeiträume speichern
Forschende der Arizona State University (ASU) und internationale Wissenschaftler*innen, darunter Prof. Laura Na Liu, Leiterin des 2. Physikalischen Instituts der Universität Stuttgart und Forschungsgruppenleiterin am Max-Planck-Institut für Festkörperforschung (MPI-FKS), haben in der renommierten Zeitschrift „Nature“ eine neue Methode vorgestellt, die die Speicherkapazität und Effizienz von DNA erheblich steigert, indem sie "Epi-Bits" verwenden. Diese funktionieren wie bewegliche Lettern in einer Druckmaschine und können auf einer universellen DNA-Vorlage angeordnet werden. Der neue Ansatz umgeht den langwierigen und teuren Prozess der Synthese neuer DNA und ist damit eine schnellere und kostengünstigere Lösung. Aufgrund der Langlebigkeit und Kompaktheit der DNA hat diese Methode das Potenzial, riesige Datenmengen auf kleinstem Raum über lange Zeiträume zu speichern. Dies bedeutet einen großen Fortschritt gegenüber herkömmlichen Speichertechnologien.
„Es ist ermutigend zu sehen, dass epigenetische Prinzipien aus Biochemie-Lehrbüchern und aus meinem Unterricht nahtlos auf DNA-Datenspeicheranwendungen angewendet werden können, um einige der ungelösten Probleme in diesem Bereich zu lösen", sagt der korrespondierende Autor Hao Yan. Yan ist Direktor des Biodesign Center for Molecular Design and Biomimetics, Milton D. Glick Distinguished Professor, School of Molecular Sciences an der ASU und als Alexander-von-Humboldt-Forschungspreisträger derzeit zu Gast an der Universität Stuttgart.
Biologisches Flash-Laufwerk
Bei früheren Versuchen wurden neue DNA-Stränge von Grund auf neu synthetisiert, wobei die Daten Nukleotid für Nukleotid kodiert wurden. Dies machte das Verfahren langsam, kostspielig und für den Einsatz in großem Maßstab unpraktisch. Mit der in der neuen Studie beschriebenen Methode werden diese Einschränkungen umgangen. Statt die DNA von Grund auf neu aufzubauen, verwendet das Team vorhandene Stränge und modifiziert sie nach der Synthese mit einem Verfahren, das von der natürlichen Methode zur Regulierung der Genaktivität inspiriert ist: der epigenetischen Modifikation.
Epigenetik als Vorbild: „Epi-Bits“ funktionieren wie binäre Schalter
Die Technik stützt sich auf die Epigenetik, einen natürlichen Prozess, bei dem chemische Gruppen der DNA hinzugefügt oder entfernt werden, um die Genexpression zu regulieren und so zu bestimmen, ob ein Gen ein- oder ausgeschaltet wird. Diese Regulierung wirkt sich auf die Proteinproduktion aus, die wesentliche Zellfunktionen steuert. Die Forschenden passten diesen natürlichen Mechanismus an und nutzten ihn, um digitale Informationen anstelle von biologischen Anweisungen zu kodieren. Durch Hinzufügen oder Entfernen chemischer Marker, so genannter Methylgruppen, an bestimmten DNA-Basen schaffen die Wissenschaftler*innen "Epi-Bits" - winzige molekulare Datenpunkte, die wie binäre Schalter funktionieren. Eine methylierte Base (Epi-Bit "1") und eine nicht methylierte Base (Epi-Bit "0") sind das Äquivalent zu dem in Computern verwendeten Binärcode.
Paralleles molekulares Drucken
Das Team verwendete eine Methode namens paralleles molekulares Drucken. Hierbei dient ein universeller DNA-Strang als Basis und 700 verschiedene DNA-Segmente dienen als Bausteine. Jedes Segment enthält ein einzigartiges Muster von „Epi-Bits“, die digitale Informationen darstellen. Durch die Anordnung dieser Segmente auf dem Basisstrang kodierten die Forschenden rund 270.000 Datenbits und erreichten damit eine Rate von 350 Bits pro Reaktion. Die gespeicherten Daten wurden dann mit Hilfe einer fortschrittlichen Sequenzierungstechnologie schnell und genau ausgelesen. „Dieser neue Ansatz zeigt, wie wir molekulare Mechanismen für innovative Datenlösungen nutzbar machen können und so eine Brücke zwischen Biologie und digitaler Information schlagen“, sagt Prof. Laura Na Liu, Mitautorin der neuen Studie und an der Universität Stuttgart Gastgeberin von Prof. Hao Yan.
Vorteile gegenüber traditionellen Methoden
Die Stabilität und Kompaktheit der DNA machen sie zu einem idealen Medium für die langfristige Datenspeicherung, das dem exponentiellen Wachstum des weltweiten Datenbedarfs gerecht werden kann. Die inhärente Stabilität der DNA bedeutet, dass sie Informationen über Hunderte, wenn nicht Tausende von Jahren ohne Beeinträchtigung speichern kann. Dies macht sie zu einem vielversprechenden Kandidaten für zukünftige Datenzentren. Der Ansatz funktioniert mit vorhandener DNA. Dabei wird eine feste Bibliothek von Segmenten verwendet, die dynamisch verändert werden können, so dass keine chemische Synthese mehr erforderlich ist. Dieser Fortschritt senkt die Kosten erheblich und öffnet die Tür zu praktischen, groß angelegten Anwendungen.
Die „Epi-Bit“-Technologie könnte eine nachhaltigere und ressourceneffizientere Option zu herkömmlichen elektronischen Speichern darstellen. Angesichts der weltweit steigenden Datennachfrage sind die Forschenden der Ansicht, dass die Kompaktheit und Langlebigkeit der DNA dazu beitragen könnte, die zunehmenden Umweltauswirkungen der Datenspeicherung in großem Maßstab zu verringern.
Potenziale und Herausforderungen
Obwohl die „Epi-Bit“-Methode vielversprechend ist, gibt es noch immer Herausforderungen. Weil die methylierungsbasierte Kodierung sehr komplex ist und chemische Veränderungen präzise kontrolliert werden müssen, sind hochentwickelte Technologien und Methoden erforderlich. Eine hohe Schreib- und Lesegenauigkeit ist von entscheidender Bedeutung, da Fehler im Methylierungsprozess oder Fehlausrichtungen zu Datenverlust oder -beschädigung führen können. Die potenziellen Vorteile des neuen Speichermediums, einschließlich seiner kompakten Größe, Umweltbeständigkeit und Langlebigkeit, könnten diese Herausforderungen jedoch aufwiegen. Bei weiterer Entwicklung könnte die Technik den Weg für hocheffiziente, anpassungsfähige Datenspeicherlösungen ebnen.
Künftige Anwendungen
Die Forschenden stellen sich künftige Anwendungen vor, bei denen die DNA-Speicherung mit molekularen Computersystemen kombiniert werden könnte, so dass Daten in ein und demselben Medium gespeichert, verarbeitet und sogar berechnet werden können. Dies würde die DNA von einem reinen Speichermolekül in einen aktiven Teilnehmer an der Datenverarbeitung verwandeln. Solche Innovationen könnten spannende Möglichkeiten in der synthetischen Biologie, der Bioinformatik und darüber hinaus eröffnen, indem sie die Datenspeicherung nahtlos mit biologischen Funktionen verbinden.
Die Forschungsergebnisse erscheinen in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Nature.
Kontakt | Prof. Laura Na Liu, Universität Stuttgart, 2. Physikalisches Institut, Tel.: +49 711 685-65218, E-Mail |
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Jutta Witte
Dr.Wissenschaftsreferentin