Neue flüssige Quantentropfen entdeckt

10. November 2016, Nr. 87

Stuttgarter Physiker erzeugen erstmals Flüssigkeit aus ultrakalten Atomen

Einem Forscherteam um Prof. Tilman Pfau vom 5. Physikalischen Institut der Universität Stuttgart ist es am Zentrum für Integrierte Quantenwissenschaft und -technologie (IQST) gelungen, eine neue Quantenflüssigkeit zu beobachten. Darüber berichtet die Fachzeitschrift „Nature“ in ihrer Ausgabe vom 10. November 2016.

Flüssigkeiten sind für uns alltäglich. Bekannte Eigenschaften sind beispielsweise die Oberflächenspannung, die Bildung stabiler Tröpfchen, oder der Phasenübergang zwischen Gas und Flüssigkeit. Aber was passiert, wenn dieser Phasenübergang nicht bei Temperaturen um den Siedepunkt bei 100 Grad Celsius untersucht wird, sondern fast am absoluten Nullpunkt bei etwa -273,15 Grad Celsius? Gibt es bei diesen extremen Temperaturen überhaupt Flüssigkeiten und Tropfen?

Forschern um Tilman Pfau am Zentrum für Integrierte Quantenwissenschaften IQST in Stuttgart sind dieser Frage nachgegangen. Sie kühlten tausende Dysprosium-Atome auf wenige Milliardstel Grad über dem absoluten Nullpunkt. Bei diesen Bedingungen verhalten sich die Atome nach den Regeln der Quantenmechanik und bilden zunächst ein Quantengas.

100 Million Mal kälter und dünner als Wasser

Basierend auf den Ergebnissen [1] aus dem Frühjahr 2016 ist es den Wissenschaftlern um Prof. Pfau jetzt gelungen, aus diesem verdünnten Gas eine verdünnte Flüssigkeit zu erzeugen, die im Vergleich zu Wasser 100 Millionen Mal kälter und dünner ist. Es gelang sogar, Tropfen dieser Flüssigkeit zu erzeugen und schwebend zu beobachten. Erstmals kann man somit von einer Flüssigkeit aus ultrakalten Atomen sprechen. Sie besteht aus supraflüssigen Tröpfchen, die auch interferieren, aber 100 Millionen Mal leichter sind als ein superflüssiges Helium-Tröpfchen gleicher Größe.

Ein Tröpfchen besteht aus wenigen tausend Atomen. Werden die Tropfen zu klein, verdampfen sie schließlich und gehen wieder in einen gasförmigen Zustand über. Die Stabilität dieser Tröpfchen ist nur möglich aufgrund so genannter Quantenfluktuationen. Diese werden durch die Heisenberg’sche Unschärferelation hervorgerufen, welche besagt, dass zwei komplementäre Eigenschaften eines Teilchens nicht gleichzeitig beliebig genau bestimmbar seien.

Das renommierte Fachjournal „Nature“ veröffentlichte nun diese ungewöhnliche Beobachtung in seiner neuesten Ausgabe. Die Ergebnisse eröffnen einen neuen Forschungszweig in der kalten Atomphysik, in dem nun weitere ungewöhnliche  Eigenschaften dieser Quantenflüssigkeit untersucht werden.

Originalpublikation:
Originalpublikation: Self-bound droplets of a dilute magnetic quantum liquid, Matthias Schmitt, Matthias Wenzel, Fabian Böttcher, Igor Ferrier-Barbut, Tilman Pfau, Nature vom 09. November 2016, http://www.nature.com/nature/journal/v539/n7628/full/nature20126.html

[1] Observing the Rosensweig instability of a quantum ferrofluid, Holger Kadau, Matthias Schmitt, Matthias Wenzel, Clarissa Wink, Thomas Maier, Igor Ferrier-Barbut, Tilman Pfau, Nature vom 1. Februar 2016, http://www.nature.com/nature/journal/vaop/ncurrent/full/nature16485.html

 

Kontakt:
Prof. Dr. Tilman Pfau, Universität Stuttgart, 5. Physikalisches Institut, Tel. 0711/685-68025, E-Mail

Andrea Mayer-Grenu, Universität Stuttgart, Hochschulkommunikation, Tel. 0711/685-82176, E-Mail

  

 
Abbildung eines Quantentropfens im Falschfarbenbild neben dem klassischen Wassertropfen. Foto: Universität Stuttgart / PI V
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