Neues Graduiertenkolleg zur Krebs-Chirurgie

11. November 2019, Nr. 95

Bessere Sensoriken für kürzere Operationszeiten und bessere Patientensicherheit

In der jüngsten Vergabe von Graduiertenkollegs (GRK) hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG ein weiteres Graduiertenkolleg an der Universität Stuttgart bewilligt. Das im Bereich der Medizintechnik angesiedelte GRK „Intraoperative multisensorische Gewebedifferenzierung in der Onkologie“ arbeitet an der Entwicklung neuer Sensoriken. Sie sollen es Chirurginnen und Chirurgen in der Krebs-Behandlung ermöglichen, während der Operation mit hoher Auflösung bösartiges von gesundem Gewebe zu unterscheiden, und so helfen zu entscheiden, ob das Gewebe entfernt oder erhalten werden soll. Langfristig will das GRK zu einer besseren Patientensicherheit beitragen und mittels der Echtzeitdaten lange Operationszeiten verkürzen.

An dem neuen Graduiertenkolleg sind die Universität Stuttgart und die Universität Tübingen beteiligt. Sprecher ist Prof. Oliver Sawodny vom Institut für Systemdynamik der Universität Stuttgart.

Präzise Tumorentfernung: Bösartiges von gesundem Gewebe einfacher und schneller unterscheiden können

Das übergeordnete Ziel neuer interventioneller Verfahren in der Chirurgie ist es, minimale Invasivität und hohe Effektivität mit kurzer Behandlungsdauer und geringen Komplikationsraten zu vereinbaren. Ein zentraler Aspekt in der Onkologie ist die Unterscheidung der malignen Zielstrukturen, also von bösartigen Tumoren, und des umgebenden Gewebes während des operativen Eingriffs. Aktuell ist die histopathologische Schnellschnittuntersuchung der Goldstandard der intraoperativen Gewebedifferenzierung. Da diese außerhalb des Operationssaals von Pathologinnen und Pathologen ausgewertet wird, kommt es zu einer verlängerten Operationszeit und potenziellem Informationsverlust. Außerdem ermöglicht der Schnellschnitt keine umfassende Erfassung der Heterogenität und Komplexität des Tumors.

Um Operateure bei der Entscheidung zwischen Resektion, also Entfernung, und Erhalt des Gewebes zu unterstützen, stellt das neue Graduiertenkolleg Methoden hin zu einer intraoperativen Echtzeitsensorik bereit. Ziel ist eine präzise Tumorentfernung.

Das interuniversitäre Kolleg baut auf den Forschungsschwerpunkten „Sensorentwicklung“, „Modellierung und Klassifikation“ und „Chirurgie und Pathologie“ auf. Die Beiträge der Universität Stuttgart konzentrieren sich auf die Forschungsschwerpunkte Sensorentwicklung und Modellierung und Klassifikation.

Forschungsschwerpunkt „Sensorentwicklung“

Malignes Gewebe kann mit einem einzelnen Sensor während minimalinvasiven Operationen nicht hinreichend genau charakterisiert werden. Die Grundidee des Graduiertenkollegs ist es, veränderte Gewebeeigenschaften dieses Zielgewebes mit unterschiedlichen physikalischen Domänen (mechanisch, optisch, elektrisch) präzise zu erkennen. Dies soll den Operateur bei der Entscheidung zwischen Gewebeerhalt und Tumorresektion in Echtzeit unterstützen. An verschiedenen Instituten der Universität Stuttgart werden neue Sensorprinzipien entwickelt bzw. erweitert oder verbessert:

  • Diskriminierung tieferliegender Gewebeschichten mittels modellgestützter optischer Sensorik (Institut für technische Optik, Prof. Alois Herkommer)
  • Gewebedifferenzierung mittels Infrarot-Spektroskopie (Institut für technische Optik, Prof. Alois Herkommer)
  • Gewebedifferenzierung durch elektrische Impedanz-Spektroskopie (Institut für Systemdynamik, Prof. Oliver Sawodny).

Forschungsschwerpunkt „Modellierung und Klassifikation“

Eine sinnvolle Fusion der erhobenen multisensorischen Messdaten zur Klassifikation erfordert eine unterlagerte Lösung einiger technischer Probleme. Wo liegen die aufgenommenen Messpunkte? Wie sind die Zusammenhänge im Gewebe? Wie lassen sich die erhobenen Daten fusionieren und klassifizieren? Wie kann über verschiedene Patientinnen und Patienten hinweg gelernt werden?

  • Intraoperative Navigation & Multiphysikalische Gewebemodellierung (Institut für Systemdynamik, Prof. Oliver Sawodny)
  • Multimodale Sensorfusion (Institut für Systemdynamik, Prof. Cristina Tarín)

Graduiertenkollegs

Graduiertenkollegs haben das Ziel, den wissenschaftlichen Nachwuchs zu stärken. Sie bieten Doktorandinnen und Doktoranden die Möglichkeit, in einem strukturierten Forschungs- und Qualifizierungsprogramm auf hohem fachlichem Niveau zu promovieren. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG hat 16 GRKs neu bewilligt. Diese werden ab 2020 zunächst viereinhalb Jahre lang mit insgesamt rund 72 Millionen Euro gefördert.

Fachlicher Kontakt:

Prof. Oliver Sawodny, Institut für Systemdynamik, Tel. +49 711 685-66302, E-Mail

Medienkontakt

 

Hochschulkommunikation

Keplerstraße 7, 70174 Stuttgart

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