Treppen (Symbolbild)

Publizieren für die Karriereleiter

7. Dezember 2021, Nr. 95

Studie mit Beteiligung der Universität Stuttgart zeigt, welche Art von Spezialisierung den akademischen Erfolg fördert
[Bild: Lindsay Henwood / unsplash]

„Publish or Perish“ (Publiziere oder geh unter) lautet ein geflügeltes Wort unter Wissenschaftler*innen, wenn es um die akademische Karriereleiter geht. Das ist nicht falsch, aber man muss zum richtigen Thema und vor allem konsistent publizieren, sagt dagegen eine jüngst im American Sociological Review erschienene Studie, die Prof. Raphael Heiberger vom Institut für Sozialwissenschaften der Universität Stuttgart geleitet hat.

Dass möglichst viele Publikationen zu wissenschaftlichem Erfolg führen, gilt als Imperativ für jeden Wissenschaftler und jede Wissenschaftlerin. Die im American Sociological Review publizierte Studie zeigt allerdings, dass dieser Zusammenhang von anderen Mechanismen inhaltlicher Spezialisierung abhängt und nur unter ganz bestimmten Bedingungen zutrifft. Auf der Grundlage von über 80.000 sozialwissenschaftlichen Dissertationen an U.S.-amerikanischen Universitäten aus den Jahren 1980 bis 2015 rekonstruierten die Forschenden die akademischen Lebensläufe von Promovierenden anhand ihrer Publikationen. Als Maßstab für den Erfolg wählten sie den Aufstieg zur Doktormutter bzw. zum Doktorvater (Advisor), da dieser Status andere wichtige Karriereschritte wie etwa eine Professur voraussetzt.

Untersucht wurden dabei verschiedene Facetten der inhaltlichen Spezialisierung der Publikationen gerade im frühen Karrierestadium: Themenwahl, Fokus, Innovationsgrad und insbesondere die thematische Konsistenz. Für die Auswertung kam eine Technik des “Unsupervised Machine Learnings”, das “Structural Topic Model” zum Einsatz, bei dem große Textmengen per Computer auf grundlegende Strukturen hin analysiert werden. 

Auswirkungen von Konsistenz und Anzahl der Veröffentlichungen auf das Erlangen eines Status als Doktorvater oder –mutter. Für Werte unter 1 gilt, dass die Chance auf eine erfolgreiche akademische Karriere als Mentor*in geringer ist (Blautöne). Dies gilt vor allem für Kombinationen von vielen, aber thematisch inkonsistenten Publikationen. Dagegen weisen rötliche Töne auf eine bis zu 8-mal höhere Wahrscheinlichkeit hin, diese Karrierestufe zu erreichen.

Thematische Konsistenz ist der stärkste Faktor

Die Modelle zeigen zunächst, dass spezifische Themen und ein hoher Innovationsgrad mit akademischen Karrieren verbunden sind, die in eine „Advisor“-Rolle führen. In den Geistes- und Sozialwissenschaften gilt dies insbesondere für Themen, die dem „Cultural Turn“ nahestehen, einem Kulturbegriff, der die gesamten menschlichen Arbeits- und Lebensformen umfasst. Der stärkste Effekt zeigt sich allerdings bei der thematischen Konsistenz: Junge Akademiker*innen, die der in ihrer Promotion eingeschlagenen Linie treu bleiben, haben, ceteris paribus, eine mehr als doppelt so hohe Chance auf Erfolg als Kommiliton* innen, die das Themenfeld häufig wechseln. „Da die Fachbereiche sehr ausdifferenziert sind, sollten junge Forschende für ihre Dissertation ein möglichst innovatives Thema auswählen und dann an diesem Thema dranbleiben“, bringt Prof. Raphael Heiberger, der am Institut für Sozialwissenschaften die Abteilung Computational Social Science leitet, die Ergebnisse der Studie auf den Punkt. „So publizieren sie in spezifischen Journalen, bilden Netzwerke und werden eher zitiert.“

Folgen Forschende dieser Strategie, genügt schon eine relativ kleine Zahl an konsistenten Publikationen, um sich in dem gewählten Fachgebiet zu etablieren. Umgekehrt können viele, aber thematisch “springende” Publikationen die Chancen einer akademischen Laufbahn sogar sehr negativ beeinflussen. „Damit kann unsere Studie dem bekannten Gebot des ‚Publish or Perish‘ eine Reihe wichtiger Nuancen zufügen“, meint Heiberger. Inwieweit die Ergebnisse der auf das amerikanische Wissenschaftssystem ausgerichtete Studie auf europäische Verhältnisse oder andere Fachbereiche übertragbar sind, sei noch nicht untersucht, so der Sozialwissenschaftler, „ich vermute es aber.“

Fachlicher Kontakt:

Prof. Dr. Raphael Heiberger, Universität Stuttgart, Abteilung Sowi VII (Computational Social Sience), Tel.: +49 711 685-81132, E-Mail 

Originalpublikation:

Heiberger, Raphael H., Munoz-Najar Galvez, Sebastian, and McFarland, Daniel A. (2021). „Facets of Specialization and Its Relation to Career Success: An Analysis of U.S. Sociology, 1980 to 2015“. American Sociological Review, 86(5). 

 

 

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