Reportagen aus der postkarbonen Gesellschaft des Jahres 2049

19. Juni 2024, Nr. 25

Was bedeutet Freiheit für zukünftige Generationen? Das wollen Forschende unter Koordination der Universität Stuttgart im Rahmen des Wissenschaftsjahrs 2024 – Freiheit gemeinsam mit Bürger*innen und Expert*innen herausfinden und in „spekulativen Dokumentarfilmen“ zeigen.
[Bild: Universität Stuttgart, IZKT]

Freiheit: Ein Begriff, der polarisiert

„Kaum ein Begriff polarisiert derzeit so stark wie der Begriff der Freiheit. Deswegen wollen wir dem kollektiven Pessimismus zukunftsfähige Freiheitserfahrungen entgegensetzen“, erklärt Elke Uhl, Geschäftsführerin des Internationalen Zentrums für Kultur- und Technikforschung (IZKT). Umstritten ist, welche Formen gelebter Freiheit in Zukunft möglich sein werden. Lässt sich die Erfahrung von Freiheit vom Ressourcenverbrauch entkoppeln? Wie sieht unsere Freiheit im Jahr 2049 aus, wenn das Grundgesetz seinen 100sten Geburtstag feiert? Oft wird die Debatte nach einem allzu bekannten Schema geführt: Vom linken zum rechten politischen Rand abgewandert ist ein Freiheitsbegriff, der Ungebundenheit, individuelle Selbstverwirklichung und eine radikale Skepsis gegenüber dem Staat betont. Formen diffuser Staatsfeindlichkeit zeigen, dass „Freiheit“ zu einem demokratiegefährdenden Schlagwort werden kann.

Entsprechend unproduktiv verläuft die Debatte meist: Während die einen Rücksicht auch gegenüber kommenden Generationen einklagen, zeichnen die anderen die Gefahr eines Nanny-States. Mit dem Projekt „Zukünftige Freiheiten: Reportagen aus der postkarbonen Gesellschaft des Jahres 2049“ versuchen Wissenschaftler*innen gemeinsam mit Stuttgarter Bürger*innen und gesellschaftlichen Akteur*innen diesen standardisierten Argumenten entgegenzuwirken, indem sie die Debatte „erden“ und bei alltäglichen Freiheitserfahrungen wie Fliegen, Bauen, Essen und Fahren ansetzen.

Im Dialog: Transdisziplinäres Projektseminar

„Unser Projekt appelliert an die politische Phantasie“, sagt Prof. Felix Heidenreich, wissenschaftlicher Koordinator am IZKT. In einem transdisziplinären und hochschulübergreifenden Seminar beschäftigen sich Studierende theoriegeschichtlich und künstlerisch mit Freiheit und stehen dabei in einem kontinuierlichen Austausch. Studierende der Merz Akademie arbeiten in einer temporär eingerichteten Freiheitswerkstatt im Hospitalviertel in Stuttgart und sammeln dort im Austausch mit Bürger*innen und Expert*innen verschiedener Fachrichtungen Impulse für „spekulative Dokumentarfilme“ – ein neues Format in der Wissenschaftskommunikation, das auf dem Alltagswissen und den Erfahrungen der Beteiligten basiert, mögliche Zukünfte anschaulich macht und Zuversicht erzeugen soll: „Wir stellen uns vor, dass das, was Europa sich vorgenommen hat, tatsächlich auch gemacht worden ist. Das ist gar nicht so einfach. Sich die Apokalypse vorzustellen ist viel leichter“, erklärt Prof. Peter Ott von der Merz Akademie.

 

Stuttgarter Hospitalviertel: Hier arbeiten Studierende an der Geschichte und Zukunft der Freiheit.

Freiheitswerkstatt: Atelier Leuschnerplätzle

Die Freiheitswerkstatt ist nur wenige Schritte von der Leuschnerstraße in Stuttgart entfernt. Hier wurde 1849 das „Stuttgarter Rumpfparlament“ als erste gesamtdeutsche Demokratiebewegung militärisch niedergeschlagen. Mit Unterstützung des Vereins Forum Hospitalviertel e.V. nutzen die Projektpartner bis Ende September eine leerstehende Bürofläche als „Atelier Leuschnerplätzle“. Das Atelier ist ein kollektiver Ort, an dem Menschen mit unterschiedlichem Wissen und unterschiedlichen Erfahrungen aufeinandertreffen und in unterschiedlichen Dialogformaten wie zum Beispiel einem Stammtisch über Freiheitsvorstellungen diskutieren. Die Ausstellung „Rückblick. Anblick. Ausblick (Looking back, looking at, looking forward)“ thematisiert die Geschichte des Rumpfparlaments sowie vergangene und zukünftige Freiheitvorstellungen.

Blick in die Zukunft: Spekulative Dokumentarfilme

Die aus den Impulsen der Freiheitswerkstatt und den Expert*innen-Interviews entstandenen spekulativen Dokumentarfilme setzen sich mit den Freiheitspraktiken Fliegen, Bauen, Essen, Fahren auseinander. Im Herbst 2024 werden diese „Reportagen aus der postkarbonen Gesellschaft des Jahres 2049“ im Hospitalhof Stuttgart in der vierteiligen Reihe „Film & Diskurs“ uraufgeführt und diskutiert. Die Filme werden darüber hinaus in einer „Zukunftskinokiste“ im Stadtraum zu sehen sein. Das Projekt endet mit einer interaktiven Abschlussveranstaltung im Format einer Unterhausdebatte.

Über das Projekt

Unter Federführung des Internationalen Zentrums für Kultur- und Technikforschung (IZKT) der Universität Stuttgart beteiligen sich die Merz Akademie - Hochschule für Gestaltung, Kunst und Medien sowie die Pädagogische Hochschule Ludwigsburg an dem Projekt. „Zukünftige Freiheiten: Reportagen aus der postkarbonen Gesellschaft des Jahres 2049.“ Es ist eines von 35 Projekten, die das BMBF im Rahmen des Wissenschaftsjahres 2024 fördert. Insgesamt wurden 320 Projektskizzen eingereicht.

Über das Wissenschaftsjahr 2024 - Freiheit

Das Thema des Wissenschaftsjahres 2024 ist Freiheit. Denn sie ist von grundlegendem Wert und heute in lange nicht vorstellbarer Weise bedroht. Zwei bevorstehende Jahrestage unterstreichen ihre Bedeutung für Deutschland: 75 Jahre Grundgesetz und 35 Jahre Mauerfall. Das Wissenschaftsjahr 2024 beschäftigt sich daher mit verschiedenen Dimensionen von Freiheit. Was genau ist Freiheit? Hängen Freiheit und Demokratie zusammen? Wo fängt Freiheit an? Mit vielfältigen Angeboten zum Mitmachen bietet das Wissenschaftsjahr einen Rahmen, um generationenübergreifend über Freiheit, ihren Wert und ihre Bedeutung zu diskutieren– miteinander und mit der Wissenschaft. Über Freiheit von heute, morgen und weltweit.

Das Wissenschaftsjahr ist eine Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gemeinsam mit Wissenschaft im Dialog (WiD).

Fachlicher Kontakt:

Dr. Elke Uhl, Geschäftsführerin IKZT, Universität Stuttgart, E-Mail, Tel.: +49 711 685 82379

Aline Riedle, wissenschaftliche Mitarbeiterin IZKT, Universität Stuttgart, E-Mail, Tel.: +49 711 685 84103

Weitere Informationen zum Projekt und zu seinen Veranstaltungen finden Sie auf der Projekt-Website und über die Social-Media-Kanäle des IZKT.

Kontakt

Dieses Bild zeigt Jutta Witte

Jutta Witte

Dr.

Wissenschaftsreferentin

 

Hochschulkommunikation

Keplerstraße 7, 70174 Stuttgart

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