Wahlkampf, Festansprache oder Infoveranstaltung – Reden erreichen heute dank Mikrofonen und digitaler Technik ein großes Publikum. Wie haben sich Menschen vor der Erfindung von technischen Verstärkern verständlich gemacht? Wie funktionierten öffentliche Reden im römischen Reich oder Mittelalter? Das erforschen Wissenschaftler*innen des Historischen Instituts der Universität Stuttgart gemeinsam mit dem Lobdengau-Museum Ladenburg.
Das Lobdengau-Museum arbeitet mit der althistorischen Abteilung des Historischen Instituts der Universität Stuttgart an einem Projekt, das von der Kulturstiftung des Bundes im Rahmen der Förderlinie „Dive in. Programm für digitale Interaktionen“ für das Jahr 2022 bewilligt worden ist. Das Ziel ist es, eine digitale Infrastruktur für das Museum zu schaffen. Dazu machen die Forschenden zwei zentrale Bauten der römischen und mittelalterlichen Stadt Lopodunum, heute Ladenburg, mit digitalen Mitteln erleb- und hörbar: die archäologisch gut fassbare römische Forumsbasilika mitsamt des Curien-Sitzungssaals sowie die mittelalterliche, im frühen 11. Jahrhundert errichtete Sebastianskapelle, die lange Zeit als Hofkapelle der Bischöfe von Worms fungierte. Die Wissenschaftler*innen installieren 3D-Technik, wie Bildschirme und Tablets, in den Räumen. Dadurch können Museumsbesucher*innen unterschiedliche Rekonstruktionen des Curien-Sitzungssaals und die drei wichtigsten historischen Bauphasen der Sebastianskapelle um 1300, 1500 und nach 1737 in akustischen und visuellen Szenarien sehen und hören.
Das Publikum kann die rekonstruierten Räume nicht nur visuell erkunden. Die Verbindung von Bild und Ton bietet auch die Möglichkeit, die historische Akustik der Räume anhand verschiedener Hörbeispiele nachzuvollziehen. Ein Highlight sind kurze Wortbeiträge, wie Ausschnitte von Reden, Predigten und Ansprachen, die Interessierte selbst interaktiv einsprechen können. Ihre Stimme wird digital mit den damaligen räumlichen Bedingungen verknüpft und ein speziell entwickeltes Computerprogramm erstellt daraus ein Hörbeispiel. Die Besucher*innen können ihre eigene Stimme in den virtuell konstruierten Räumen hören und so persönlich erfahren, welche Anforderungen öffentliche Redensituationen an die damaligen politischen Amtsträger und sonstigen Akteure stellten. Zugleich sieht und hört das Museumspublikum, welch lange Tradition der technisch unverstärkten öffentlichen Rede mit der Einführung schallverstärkender Mikrophone in den späten 1920er Jahren endete.
Die Forschenden werden die Ausstellung bis Ende des Jahres 2022 entwickeln und aufbauen. Voraussichtlich ab dem Frühjahr 2023 können Besucher*innen die neuen digitalen Möglichkeiten nutzen.
Informationen zum Projekt:
Die Förderung ist Teil des Programmes NEUSTART KULTUR, das von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) auf den Weg gebracht wurde. Es handelt es sich um ein Transferprojekt, das die Vermittlung fachwissenschaftlicher Erkenntnisse über akustische Anforderungen an Redner in der Vormoderne einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen möchte. Die Forschenden wollen ihre Ergebnisse im kommenden Jahr im Rahmen der Ausstellung präsentieren.
Kontakt | Prof. Dr. Peter Scholz, Historisches Institut der Universität Stuttgart, Abteilung Alte Geschichte |
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