Der Physiker Dr. Tim Langen von der Universität Stuttgart ist mit dem Rudolf-Kaiser-Preis 2019, einem der höchstdotierten Nachwuchspreise in den Naturwissenschaften, ausgezeichnet worden. Dieser wird jährlich an einen herausragenden Nachwuchsforscher auf dem Gebiet der Experimentalphysik verliehen. Langen erhält den Preis für seine experimentellen Arbeiten zur Superfluidität und Suprasolidität dipolarer Quantengase, insbesondere für die erstmalige Beobachtung eines Materiezustandes, der die kristalline Struktur eines Festkörpers mit dem reibungslosen Fluss einer Supraflüssigkeit vereint.
Das Forschungsgebiet von Dr. Tim Langen sind Atome und Moleküle, die bis wenige milliardstel Grad an den absoluten Nullpunkt bei −273,15 Grad Celsius abgekühlt werden. Bei diesen tiefen Temperaturen können Quanteneffekte sichtbar und Materie bis in ihre kleinsten Bestandteile perfekt kontrolliert und untersucht werden. Während man im Alltag drei Aggregatzustände der Materie kennt (fest, flüssig und gasförmig), können bei diesen tiefen Temperaturen auch weitere, exotischere Zustände entstehen. So können Atome beispielsweise eine Supraflüssigkeit bilden, die vollkommen widerstandslos und reibungsfrei fließen kann.
Ausgehend von einer solchen Superflüssigkeit gelang es Langen erstmals, einen sogenannten Suprafestkörper zu erzeugen und eingehend zu untersuchen. Dieser Materiezustand vereint dem reibungslosen Fluss der Supraflüssigkeit mit der kristallinen Struktur eines Festkörpers – er ist also fest und flüssig zugleich. Dieses kontraintuitive Verhalten wurde bereits vor über 60 Jahren erstmals theoretisch vorhergesagt, die Existenz des Suprafestkörpers konnte aber erst jetzt widerspruchsfrei nachgewiesen werden. Ermöglicht wurde dies in den Experimenten an der Universität Stuttgart durch die „dipolaren“ Eigenschaften von Dysprosium-Atomen, die sich wie kleine Magnete anziehen oder abstoßen können.
Weitere exotische Materialzustände erwartet
Derzeit beschäftigt sich Langen damit, in weiterführenden Experimenten neben dipolaren Atomen auch dipolare Moleküle, also komplexere Quantenobjekte aus mehreren Atomen zu studieren. In diesen Systemen werden neben Suprafestkörpern noch viele weitere exotische und bisher noch nie beobachtete Materiezustände erwartet. Außerdem eignen sich solche kalten Moleküle für besonders präzise Messungen. Dabei können auf einem einzelnen Experimentiertisch Erkenntnisse über die kleinsten Bausteine der Quantenwelt gewonnen werden können, für die sonst große Teilchenbeschleuniger nötig wären.
„Dr. Langen ist ein sehr innovativer Experimentalphysiker, der auch vor risikoreichen Projekten nicht zurückschreckt. Die Auszeichnung ist daher hoch verdient“, gratuliert Prof. Tilman Pfau, Leiter des 5. Physikalischen Instituts der Universität Stuttgart und im Jahr 1998 selbst Träger des Rudolf-Kaiser-Preises. „Ich fühle mich sehr geehrt, mit einem so bedeutenden Preis ausgezeichnet zu werden“, sagt Tim Langen. Besonders betont er den großen Anteil, den die Kolleginnen und Kollegen sowie die idealen Rahmenbedingungen für den wissenschaftlichen Nachwuchs am 5. Physikalischen Institut an den ausgezeichneten Arbeiten haben.
Über Tim Langen:
Dr. Tim Langen studierte Physik in Mainz, Marseille, Paris und Wien. Bereits im Rahmen seiner international mehrfach ausgezeichneten Dissertation beschäftigte er sich mit den besonderen Phänomenen der Quantenwelt. Anschließend arbeitete er als Stipendiat der Alexander von Humboldt Stiftung am renommierten Forschungsinstitut JILA in Boulder, USA. Seit 2017 leitet er eine Forschungsgruppe an der Universität Stuttgart. https://www.pi5.uni-stuttgart.de/de/institut/team/Langen/
Zum Rudolf-Kaiser-Preis:
Der mit 35.000 Euro dotierte Rudolf-Kaiser-Preis zählt zu den höchsten Anerkennungen für Nachwuchsforschende auf dem Gebiet der Experimentalphysik. Die Auszeichnung wird seit 1989 jährlich durch die Rudolf-Kaiser-Stiftung an Nachwuchsforschende vergeben, die bereits besondere wissenschaftliche Leistungen erbracht, aber noch keinen Ruf auf einen Lehrstuhl innehaben. Viele der Preisträgerinnen und Preisträger sind heute weltweit geachtet und hochdekoriert. http://www.deutsches-stiftungszentrum.de/stiftungen/rudolf-kaiser-stiftung
Fachlicher Kontakt:
Dr. Tim Langen, Universität Stuttgart, 5. Physikalisches Institut, Tel.: +49-711-685-60149, E-Mail