Es ist ein universitäres Erfolgsprojekt: Der Kleinsatellit Flying Laptop der Universität Stuttgart. In dem Forschungs- und Ausbildungsprojekt können Studierende der Luft- und Raumfahrttechnik Systementwicklung, Satellitentechnik und den Satellitenbetrieb in Theorie und Praxis an einem realen Raumfahrtprojekt erlernen und erproben. Jetzt wird die ursprünglich auf zwei Jahre angelegte Mission um weitere zwei Jahre verlängert. Dazu Sabine Klinkner, Professorin für Satellitentechnik am Institut für Raumfahrtsysteme (IRS) der Universität Stuttgart: „Satellit und Komponenten funktionieren hervorragend. Diese hohe Zuverlässigkeit der Systeme und die Faszination des Projekts bei den Studierenden ermutigen uns, Flying Laptop über den geplante Zeitraum hinaus weiter zu betreiben und neue Aufgaben anzugehen.“ Über 170 Studierenden und 25 Promovierenden diente der Flying Laptop bislang als Studienobjekt.
Uni-Auge im All – Datenübertragung per Laser
Der Flying Laptop erfüllt Aufgaben der Erdbeobachtung und dient der Überprüfung neuer Technologien. So testen die Universität Stuttgart gemeinsam mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt die Übertragung von Daten von dem OSIRIS-Terminal auf dem Flying Laptop zur Bodenstation in Oberpfaffenhofen mittels Laserlink. Jeweils zwei bis dreimal am Tag und in der Nacht überfliegt der Satellit Stuttgart. Er richtet dabei seine Antenne in Richtung Bodenstation aus. Während der Überflüge bekommt er seine Kommandos für die anstehenden Messungen und die Ergebnisse der erfolgten Messungen werden nach unten geschickt. Der Satellit ist nahezu Rund-um-die-Uhr ausgelastet. Er wird im Kontrollzentrum am Institut für Raumfahrtsysteme von dem Betriebsteam aus Promovierenden und Studierenden betreut. Rund 10.800 Umläufe um die Erde hat er inzwischen absolviert, rund 42.000 Bilder gesendet. Er empfängt und analysiert Schiffssignale, untersucht die zeitliche Vegetationsänderung einer malaysischen Plantage oder macht Experimente zur Bestimmung seiner Lage. Mit der Verlängerung der Missionsdauer warten neue Aufgaben auf ihn wie Beobachtung von Weltraumschrottobjekten, die Vermessung der Albedostrahlung der Erde mit Hilfe von Mondaufnahmen, die Untersuchung von Strahlungseffekten oder der atmosphärischen Abbremsung in Abhängigkeit der Satellitenausrichtung und der Umgebungsbedingungen.
Der Kleinsatellit
Flying Laptop ist der bislang größte Kleinsatellit, der von einer deutschen Universität gestartet wurde und mit seinem Masse von 110 Kilo auch das größte und komplexeste Satellitensystem, das durch Promovierende und Studierende entwickelt wurde. Entwicklung und Verifikation erfolgte nach den gleichen Maßstäben und Standards sowie mit gleichen Werkzeugen der Raumfahrtindustrie. Auch beim Satellitenbetrieb werden weitgehend die gleichen Werkzeuge verwendet wie bei kommerziell genutzten Satelliten. Der Satellit ist einfehlertolerant, das heißt, egal an welcher Stelle ein Fehler im System auftritt, führt das nicht zu einem Ausfall des Satellitensystems. Der Satellit hat immer eine funktionierende Rückfallebene, die es dann erlaubt den Fehler zu untersuchen und sofern möglich zu beheben oder auf redundant Komponenten umzustellen.
Der Flying Laptop wurde 2004 an der Universität Stuttgart von Prof. Hans-Peter Röser als Teil seines Kleinsatellitenprogramms initiiert. Im Jahr 2009 wurde die Satellitenmission dann mit den heutigen Missionszielen neu definiert, und es wurde mit der Entwicklung des Satelliten begonnen. Mit der 2015 neu eingerichteten Professur für Satellitentechnik hat Prof. Sabine Klinkner das Projekt im Januar 2015 übernommen. Am 14. Juli 2017 startete Flying Laptop um 8:36 Uhr (MESZ) von Baikonur in Kasachstan mit einer Soyuz/Fregat Rakete ins All. Nach nur vier Tagen war die Inbetriebnahme im All abgeschlossen und bereits ein Tag später konnte das erste Bild heruntergeladen werden.
Zahlen und Fakten
Der Flying Laptop hat in etwa die Größe einer Waschmaschine,quaderförmig mit zwei ausgeklappten Solarpanelen in Orbitkonfiguration
Masse 110 kg
Volumen 60 x 70 x 87 cm³
Energie max. 270 W
Orbit 600 km sonnensynchron
LTDN 11:30
Lebensdauer >2 Jahre
Start 14. Juli 2017
Nutzlasten: Multispektralkamera, Panoramakamera, Schiffssignalempfänger
Technologien:
OSIRIS (Optisches Laserkommunikationssystem), Innovativer Entfaltmechanismus für Solarpaneele, FPGA-basierter Nutzlastcomputer, innovativer On-Board Computer, Nutzung kommerzieller Komponenten (Batterie, Panoramakamera, Funksender für Nutzlastdaten), Innovative multifunktionale Energiekontrolleinheit, Entfaltbarer De-Orbit Mechanismus
Fachlicher Kontakt:
Prof. Sabine Klinkner, Institut für Raumfahrtsysteme (IRS) der Universität Stuttgart, Tel. : +49 (0)711 – 685 62677, Mail