Historische Kunst- und Kulturobjekte haben oft stark verschmutzte Oberflächen, da sie über viele Jahre hinweg unterschiedlichsten Umwelteinflüssen ausgesetzt sind. Ein deutsch-französisches Team um Prof. Cosima Stubenrauch von der Universität Stuttgart erforscht nun, wie man die Kostbarkeiten mit flüssigen Schäumen schonend und umweltfreundlich reinigen kann. Erste Ergebnisse wurden im Journal of Colloid and Interface Science publiziert.
Im Marstallmuseum von Schloss Nymphenburg in München stehen rund 40 Kutschen verschiedenster Machart und Epochen. Doch sie haben eines gemeinsam: Ihre Oberflächen sind verschmutzt vom Staub, Ruß und den fettigen Substanzen der Jahre. Sie zu reinigen ist eine gewaltige Herausforderung, denn jede Oberfläche erfordert spezifisch zugeschnittene Reinigungsmethoden, damit der Schmutz entfernt werden kann, ohne die historischen Kunstwerke zu beschädigen. „Mit Wattebausch und Stäbchen ist das schwierig“, erklärt Heinrich Piening von der Bayerischen Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen. Als stellvertretender Leiter des Restaurierungszentrums ist er für die Pflege der Kutschen in Schloss Nymphenburg zuständig – und er machte eine Beobachtung: „Die Reinigungsmittel wirken besser, wenn man sie aufschäumt.“
Für Laien mag das nicht ungewöhnlich klingen, ist es aber doch: „Normalerweise erleichtert Schaum zwar das Auftragen und Einarbeiten eines Reinigungsmittels. Eine eigenständige Reinigungskraft wurde ihm bisher jedoch nicht zugesprochen“, erklärt Prof. Cosima Stubenrauch vom Institut für Physikalische Chemie der Universität Stuttgart und ergänzt: „Es sei denn, der Schaum hat eine bestimmte Struktur.“
90 Prozent weniger Reinigungsmittel
Um diese zu erforschen, haben sich die Gruppen um Cosima Stubenrauch (Universität Stuttgart & University of Strasbourg Institute for Advanced Study USIAS, Frankreich) und Wiebke Drenckhan (Universität Strasburg-CNRS) mit Dirk Blunk (Universität zu Köln) und dem Restaurator Heinrich Piening (Bayerische Schlösserverwaltung) zusammengetan. Das Forschungsteam deckte das große Potenzial auf, das flüssige Schäume bei der Reinigung von Kunstwerken haben können: Flüssige Schäume reduzieren nicht nur die benötigte Menge an Reinigungsmitteln um bis zu 90 Prozent und ermöglichen die Benetzung komplexer Oberflächenstrukturen, sondern setzen auch zusätzliche physikalische Reinigungsmechanismen in Gang.
Zwar ist schon seit geraumer Zeit bekannt, dass Schäume – ähnlich wie Schwämme – Schmutz von Oberflächen „wegsaugen“ können. Das Team hat nun aber gezeigt, dass dieser Reinigungsmechanismus wesentlich effizienter ist, wenn die Schaumblasen zusätzliche Wischaktivitäten auf den Oberflächen vollziehen. „Man kann sich das vorstellen wie beim Abwischen einer verschmutzten Tischplatte“, erklärt Cosima Stubenrauch: „Flüssige Schäume sind generell instabil, was sich darin zeigt, dass die Schaumblasen kontinuierlich platzen und sich umherbewegen. Diese Instabilität ruft die Wischbewegung hervor.“
Dieser Teil des Reinigungsprozesses kann optimiert werden, wenn die verwendeten Schäume die „richtige“ Instabilität haben: Sie müssen stabil genug sein, um den „Schwamm-Effekt“ auszuüben, gleichzeitig aber instabil genug, um ein optimales „Schaumblasen-Wischen“ zu gewährleisten. Diese beiden Effekte erzielen zusammen eine so hohe Wirksamkeit, dass es ausreicht, den Schaum einfach für eine gewisse Zeit auf der Oberfläche wirken zu lassen, bevor er entfernt wird. Eine weitere mechanische Aktion ist nicht mehr nötig.
Nachdem das grundlegende Prinzip an Modelloberflächen gezeigt wurde, soll das Konzept nun an echten historischen Objekten und anderen Arten von Oberflächen getestet werden.
Fachlicher Kontakt:
Prof. Dr. Cosima Stubenrauch, Universität Stuttgart, Institut für Physikalische Chemie, Arbeitsgruppe Kolloid- und Grenzflächenforschung, Tel.: +49 (0)711/685-64470, E-Mail
Originalpublikation:
Schad, T., Preisig, N., Blunk, D., Piening, H., Drenckhan, W., & Stubenrauch, C. (2021). Less is more: Unstable foams clean better than stable foams. Journal of Colloid and Interface Science, 590, 311–320.