Quarz-Stimmgabel zum Aufspüren von Spurengasen: Durch einen Laser ins Schwingen gebracht sendet sie Schallwellen aus, die Aufschluss über den genauen Fußabdruck der Gasmoleküle geben.

Sensorik: Neue Methode zur Echtzeitüberwachung von Gasen

11. Februar 2025

Gase in sehr niedrigen Konzentrationen erkennen und nachweisen: Das schaffen Forschende der Universität Stuttgart in wenigen Sekunden und damit rund 600mal schneller als bislang. Ihre neue Messmethode ist vielversprechend für Echtzeitüberwachungen in den Bereichen Umwelt, Gesundheit und Industrie.
[Bild: Theelke Kobuch]

Die meisten Gase wie zum Beispiel das umweltschädliche Methan kommen nur in sehr kleinen Mengen vor. Sie auch in niedrigen Konzentrationen nachweisen und kontrollieren zu können ist jedoch für viele Branchen und Anwendungen wichtig. Das Forschungsteam von Simon Angstenberger am 4. Physikalischen Institut der Universität Stuttgart hat eine neue Messmethode entwickelt und erfolgreich getestet. Sie ermöglicht das Monitoring für eine Vielzahl von Gasen in Echtzeit. Im Fachjournal „Optica“ (DOI: 10.1364/OPTICA.544448) erklären die Forschenden wie das funktioniert.

Treibhausgase, Krebszellen und Gaslecks aufspüren

Im Gegensatz zu herkömmlichen Methoden, die Spurengase nachweisen, ist die neue Technologie nicht auf bestimmte Gase beschränkt und sie erfordert keine Vorkenntnisse über ein möglicherweise vorhandenes Gas. Sie soll die Grundlage legen für den Einsatz von hochempfindlichen Echtzeitsensoren in unterschiedlichen Bereichen. „Diese Technologie könnte zum Beispiel für die Überwachung von Emissionen eingesetzt werden und dazu beitragen, dass Treibhausgase wie Methan, die stark zum Klimawandel beitragen, nachgewiesen werden“, erläutert Professor Harald Giessen, Leiter des 4. Physikalischen Instituts. „Sie hat auch Anwendungspotenziale für die Krebsfrüherkennung durch Atemanalyse. Und sie könnte in chemischen Produktionsanlagen zum Einsatz kommen, etwa zur Erkennung von giftigen oder brennbaren Gaslecks oder zur Prozesskontrolle.“

Den Fingerabdruck eines Gases bestimmen

Gase werden mittels Spektroskopie nachgewiesen. Bei diesem Verfahren wird das Licht gemessen, das ein Gas „einfängt“. Welche Wellenlänge des Lichts wie stark absorbiert wird, ist für jedes Molekül einzigartig. So hinterlässt jedes Gas einen „Fingerabdruck“. Um niedrige Gaskonzentrationen schnell erkennen zu können, ist ein Laser erforderlich, dessen Wellenlänge man schnell durchstimmen kann. Ein solcher Laser funktioniert wie eine Gitarrensaite, die man schnell stimmen kann, in dem man sie verkürzt oder verlängert. Es braucht aber auch einen extrem empfindlichen Detektionsmechanismus sowie eine präzise elektronische Steuerung des Laserzeitpunkts, das heißt des genauen Zeitpunktes, an dem ein Laserpuls zum Beispiel für Messungen eingesetzt wird.

Nachweis mit Stimmgabel aus Quarz

Die Forscher nutzten einen Laser mit einer extrem schnell durchstimmbaren Wellenlänge Stuttgart Instruments GmbH, eine Ausgründung der Universität Stuttgart, entwickelt hat. Ihn kombinierten sie mit dem so genannten QEPAS-Verfahren. QEPAS steht für „quarzverstärkte photoakustische Spektroskopie“ — eine hochempfindliche Nachweismethode für kleinste Gasmengen. Hierbei wird eine Quarz-Stimmgabel von schnellen Laserpulsen angeregt.  Der Laser erhitzt das Gas zwischen den Zinken der Stimmgabel periodisch. Die Wärme, die entsteht, wenn das Gas das Licht schluckt, löst Schallwellen genau zwischen den Zinken der Stimmgabel aus und drückt sie nach außen. Dieser Vorgang wiederholt sich und die Stimmgabel beginnt zu schwingen. Laser und Stimmgabel arbeiten mit der gleichen Frequenz. Dies erhöht die Präzision, begrenzt allerdings die Aufnahmegeschwindigkeit. Denn: „Um das ganze Spektrum erfassen zu können, müssen wir viele verschiedene Wellenlängen nacheinander messen“, erläutert Angstenberger. „Weil die Gabel nachschwingt, misst man bei jeder Messung das Restsignal der vorhergehenden mit. Das heißt, wir müssen die Bewegung irgendwie stoppen.“

Quarz-Stimmgabel zum Aufspüren von Spurengasen: Durch einen Laser ins Schwingen gebracht sendet sie Schallwellen aus, die Aufschluss über den genauen Fußabdruck der Gasmoleküle geben.
Quarz-Stimmgabel zum Aufspüren von Spurengasen: Durch einen Laser ins Schwingen gebracht sendet sie Schallwellen aus, die Aufschluss über den genauen Fußabdruck der Gasmoleküle geben.

Spektroskopie kohärent steuern

Um dieses Problem zu lösen, entwickelten die Forscher eine neue Methode, die sich an bekannte Messprinzipien der Atomphysik anlehnt: die kohärente Kontrolle. Dabei verschieben sie den Zeitpunkt der Laserpulse um genau einen halben Schwingungszyklus. Die Frequenz des Laserpulses bleibt unverändert. Dies führt dazu, dass der Laserpuls das Gas zwischen der Gabel erreicht, wenn sich die Zinken nach innen bewegen. Dies dämpft die Schwingung der Gabel. „Wenn das Gas heiß wird und sich ausdehnt, wirkt es der Bewegung der Zinken entgegen. Die Gabel hört auf zu schwingen und die nächste Messung kann durchgeführt werden“, sagt Angstenberger.

Ultraschnelle Gasidentifizierung

„Die Erweiterung von QEPAS um eine kohärente Steuerung ermöglicht die ultraschnelle Identifizierung von Gasen anhand ihrer spezifischen Fingerabdrücke“, so der Physiker. „Damit können wir praktisch jedes Spurengas in Echtzeit erkennen.“ Mittels der so genannten kohärent gesteuerten quarzverstärkten photoakustischen Spektroskopie ist es gelungen, ein komplettes Methanspektrum von 3050 bis 3450 Nanometern in nur drei Sekunden zu erfassen – ein Vorgang, der normalerweise etwa 30 Minuten dauert. Die gemessene Konzentration betrug 100 Methanmoleküle zu einer Million Luftmoleküle. Das heißt, Methan wird mit dem neuen Verfahren sogar dann nachweisbar, wenn es nur verdünnt austritt.

Verfahren erfolgreich getestet

Tests zeigten zudem: Bei der herkömmlichen QEPAS-Methode wird der spektrale Fingerabdruck der Gasmoleküle durch zu schnelles Durchstimmen unscharf, während er bei der kohärenten Kontrollmethode klar und unverändert bleibt. Im nächsten Schritt will Angstenberger mit seinem Team die Grenzen der neuen Technologie ausloten. Ziel ist es, die maximale Geschwindigkeit und die niedrigste messbare Gaskonzentration zu bestimmen sowie mehrere Gase gleichzeitig zu testen. „Wir haben die Grundlagen für eine Technologie gelegt, die wir jetzt für den Markt weiterentwickeln wollen“, so Angstenberger.

Publikation
S. Angstenberger, M. Floess, L. Schmid, P. Ruchka, T. Steinle, H. Giessen, "Coherent Control in Quartz-Enhanced Photoacoustics: Fingerprinting a Trace Gas at ppm-Level within Seconds", Optica 12, 1-4 (2024). DOI: 10.1364/OPTICA.544448.

Kontakt

Simon Angstenberger, Universität Stuttgart, 4. Physikalisches Institut, Tel: +49 711 685-60519, E-Mail

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Dieses Bild zeigt Jutta Witte

Jutta Witte

Dr.

Wissenschaftsreferentin

 

Hochschulkommunikation

Keplerstraße 7, 70174 Stuttgart

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