Ende 2024 wurde an der Universität Stuttgart erstmals der Preis „Fü(h)r divers!“ für herausragende und diversitätssensible Führungspersönlichkeiten verliehen. Einer der ersten Preisträger ist Prof. Thomas Wortmann, der am Institut für Computerbasiertes Entwerfen und Baufertigung die Abteilung Computing in der Architektur gegründet hat und leitet. Besonders gewürdigt wurde sein Engagement für faire und diskriminierungsfreie Einstellungsverfahren sowie die aktive Unterstützung seines Teams bei beruflichen und persönlichen Herausforderungen. Wie er Diversität in der Wissenschaft lebt, welche Maßnahmen er konkret umsetzt und welche Rolle Führung dabei spielt, erfahren wir im Gespräch mit ihm.
Was bedeutet die Auszeichnung für Sie persönlich?
Diversität hat viele Dimensionen. Mein Fachgebiet, das sich mit Informatikmethoden wie KI in der Architektur beschäftigt, ist in Deutschland noch relativ klein. Deshalb sind wir von Haus aus international ausgerichtet, denn wir suchen weltweit nach den besten Talenten. Dies führt nicht nur zu einer hohen Internationalität in unserem Team, sondern auch zu einem hohen Frauenanteil, da die Auswahl der besten Talente unabhängig von Geschlecht oder Herkunft erfolgt. Die kulturellen Hintergründe unserer internationalen Mitarbeitenden tragen zusätzlich zur Vielfalt im Team bei.
Das ist auch Teil meiner Biografie, denn ich habe selbst in vielen Ländern gelebt und in kulturell gemischten, vielfältigen Teams geforscht. Dieser Hintergrund beeinflusst sicherlich mein Engagement für faire und diskriminierungsfreie Einstellungsverfahren zugunsten der besten Köpfe, aber auch meine Unterstützung der Mitarbeitenden bei den täglichen Herausforderungen in einem neuen Land. Es ist etwas Besonderes, dass wir diese interkulturelle Gemeinschaft hier an der Universität leben dürfen, auch wenn die benötigte behördliche Infrastruktur noch ausbaufähig ist. Insofern bin ich über die Auszeichnung sehr erfreut.
Kann man diversitätssensible Führung lernen? Oder ist es eher eine Mischung aus eigener Erfahrung und Vorbildern/Mentor*innen?
Man kann vieles lernen, aber die Erfahrung kommt durch die Offenheit für Neues und durch eigene Auslandsaufenthalte. Ich bin froh über Programme wie Erasmus oder den DAAD Deutschen Akademischen Austauschdienst, denn sie geben den Studierenden die Möglichkeit, eigene Erfahrungen in anderen kulturellen Kontexten zu machen und bringen Talente aus aller Welt an unsere Fakultät. Eine Herausforderung kann auf viele Arten gelöst werden: Unterschiedliche Sichtweisen bereichern nicht nur persönlich, sondern Studien belegen auch, dass Teams mit heterogenen Hintergründen durch die verschiedenen Perspektiven innovativer sind.
Meine Vorbilder und Mentor*innen sind Pioniere auf ihrem Gebiet, sei es meine Arbeit für NOX/Lars Spuybroek in Rotterdam oder meine Zeit am Massachusetts Institute of Technology (MIT) mit George Stiny. Die prägendste Erfahrung habe ich an der Singapore University of Technology and Design (SUTD) gemacht, wo die Zusammenarbeit zwischen Studierenden und Professor*innen auch aufgrund des geringen Altersunterschieds sehr kollegial war. Singapur kennt allein vier Amtssprachen und noch mehr verschiedene Ethnien. Das gemeinsame Interesse an einem Thema und letztlich auch gemeinsame Werte schaffen Verbindung über unterschiedliche kulturelle Kontexte hinweg.
Welchen Rat würden Sie anderen Führungskräften geben, um diversitätssensibler zu führen?
Interkulturelle Gruppen erfordern von den Führungskräften Moderationsfähigkeit und Empathie, um auch bei Herausforderungen zu unterstützen, die nicht primär mit dem beruflichen Kontext zu tun haben. Vor den Führungsqualitäten steht jedoch der Zugang zu den Talenten. In Zeiten des Fachkräftemangels ist es für die Rekrutierungsstrategie wichtig, ein internationales Netzwerk zu pflegen und auch auf den verschiedenen Businessplattformen, die es einfach machen, auf dem Laufenden zu bleiben, nach potenziellen Mitarbeitenden Ausschau zu halten. Und wenn man sie gefunden hat, sie auch während ihrer Zeit am Institut bestmöglich zu unterstützen.
Denn letztlich verbindet uns alle das Streben nach wissenschaftlicher Exzellenz und Innovation. Wir sollten uns auf das gemeinsame Mindset konzentrieren und die unterschiedlichen kulturellen Perspektiven für die Entwicklung nachhaltiger intelligenter Systeme zum Nutzen der Gesellschaft nutzen.
“Fü(h)r divers!”-Preis 2025
Der "Fü(h)r divers!"-Preis geht in die nächste Runde: Auch 2025 werden wieder herausragende Führungskräfte ausgezeichnet, die sich aktiv für Vielfalt und Chancengleichheit einsetzen. Bis zum 1. April 2025 können alle Beschäftigten der Universität Stuttgart per E-Mail Vorschläge einreichen. Nutzen Sie die Chance und nominieren Sie Führungskräfte, die etwas bewegen!