Molekulare Quantenbits sind vielversprechend für leistungsfähigere und sicherere Quantentechnologien, zum Beispiel im Kommunikations- oder Energiesektor. Doch Qubits tun sich schwer, in herkömmlicher Hardware ihr volles Potential auszuschöpfen. Chemiker wie Joris van Slageren forschen daran, Qubits zu robusten und zuverlässigen Informationsträgern zu machen. Für seine fachliche Expertise auf dem Gebiet der molekularen Quantentechnologie und sein Engagement in der wissenschaftlichen Nachwuchsförderung hat die Alexander von Humboldt-Stiftung van Slageren zum Henriette-Herz-Scout ernannt.
Unzählige Datenmengen fluten unsere Kommunikationsnetzwerke und die Datenverarbeitung wird immer komplexer. Ob in der Telekommunikation, im Energiesektor oder in der Medizin – Systeme stoßen an ihre Kapazitätsgrenzen und sind anfällig für Datenlecks. Mit breit eingesetzten Quantentechnologien wären diese Probleme Geschichte. Molekulare Quantenbits können helfen, Systeme zu optimieren, sie zu entlasten und Daten schneller und sicherer zu übertragen.
Qubits sind leistungsfähig und robust, sie einzeln zu adressieren ist aber eine Herausforderung. „Es wurde bereits gezeigt, dass sich Quantenbits einzeln auslesen lassen, aber es ist bei weitem noch keine Routine“, erklärt Professor Joris van Slageren, der die Eigenschaften von molekularen Quantenbits am Institut für Physische Chemie an der Universität Stuttgart erforscht. Für die praktische Anwendung ist eine gezielte Adressierung jedoch unabdingbar.
Physikalische Eigenschaften chemisch verbessern
Molekulare Qubits haben einen entscheidenden Vorteil: Sie lassen sich maßschneidern. Mittels chemischer Synthese stellen van Slageren und sein Team Qubits mit besseren physikalischen Eigenschaften her. Hierfür ist es entscheidend, die Qubits zu stabilisieren. Normalerweise nehmen Bits den Zustand 0 oder 1 an. Qubits hingegen können beide und mehrere dazwischenliegende Zustände zugleich annehmen. Schon die kleinste Störung von außen schleudert sie aus der Bahn.
Außerdem können die Forschenden molekulare Qubits in maßgeschneiderten Topologien anordnen. Das ist entscheidend für einen funktionsfähigen Quantencomputer. „Angenommen ich will, dass ein Quantencomputer bestimmte Prozesse ausführt oder ich möchte einen Systemfehler beheben, dann ist es absolut notwendig zu wissen, wo welche Qubits zu finden sind“, sagt van Slageren.
Drei Humboldt-Stipendiat*innen sollen neue Expertise ins Team bringen
Drei internationale Nachwuchsforschende bekommen jetzt die Chance, im Rahmen eines Alexander von Humboldt-Stipendiums an Lösungen für dieses Problem mitzuarbeiten. In van Slagerens interdisziplinärem Team sind unterschiedliche Expertisen gefragt. Der neu ernannte Henriette Herz-Scout wünscht sich zum Beispiel Verstärkung auf dem Gebiet der Adressierung von molekularen Quantenbits.
Unterstützung wird zudem in der chemischen Synthese gebraucht, also in der Herstellung von Qubits und der Verknüpfung mehrerer Qubits in einem Molekül. Auch elektronische und ingenieurwissenschaftliche Expertise ist gefragt, um die Integration chemischer Materialien in Elektronikhardware zu optimieren.
Optimaler Standort für exzellente Quantenforschung
Die Quantenforschung ist einer der Leuchttürme in der Wissenschaftslandschaft Baden-Württembergs. Am IQST zum Beispiel bündeln die Universität Stuttgart, die Universität Ulm, das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und das Max-Planck-Institut für Festkörperforschung (MPI-FKF) die Expertise weltweit führender Personen aus der molekularen Quantenwissenschaft. Darüber hinaus verfügen Stuttgart und ganz Südwestdeutschland über eine außergewöhnliche Wissens- und Geräte-Infrastruktur sowie Graduiertenschulen zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Auf der in Stuttgart stattfindenden Messe „quantum effects“ kommt die Quanten-Community jährlich zusammen. „Das haben nur sehr wenige Standorte auf der Welt zu bieten. Und auch deshalb gestalten wir gerade ein größeres Konsortium, das sich der Erforschung molekularer Qubits widmen wird“, betont van Slageren.
Über das Alexander von Humboldt-Scouting und Fellowship
Das Henriette Herz-Scouting-Programm richtet sich an Forschende verschiedener Karrierestufen und aller Fachrichtungen in Deutschland. Die Voraussetzung für die Funktion als Scout ist eine (Junior-)Professur oder vergleichbare Leitungsposition, zum Beispiel eine Gruppenleitung, sowie ein internationales Kooperationsnetzwerk. Scouts identifizieren exzellente Nachwuchsforschende aus dem Ausland und können bis zu drei internationale wissenschaftliche Talente für ein zweijähriges Forschungsstipendium nominieren. Nach formaler Prüfung werden im Direktverleihungsverfahren jedes Jahr bis zu 100 Stipendien vergeben.
2020 erhielt die Universität Stuttgart den Henriette-Herz-Preis – eine Auszeichnung für strategisch ausgerichtete Rekrutierung und die Bindung hoch qualifizierter internationaler Nachwuchswissenschaftler*innen.
Fachlicher Kontakt:
Prof. Joris van Slageren, Universität Stuttgart, Institut für Physikalische Chemie, Tel.: +49 711 685 64380, E-Mail
Jacqueline Gehrke
Redakteurin Wissenschaftskommunikation