Wer mit gutem Gewissen Bio-Schokolade kaufen will, achtet darauf: Die Kakaobohnen sind fair gehandelt, die Umverpackung aus Recyclingpapier und die Folie direkt um die Schokolade herum ist „biologisch abbaubar“. Das steht zumindest auf der Verpackung. Trotzdem darf diese Folie nicht in die Bio-Tonne, weiß Hildemar Mendez.
Bevor sie vor sechs Jahren an die Universität Stuttgart kam, hat sie Umweltingenieurwesen in Venezuela studiert. „Ich hatte von internationalen Masterprogrammen in der Zeitung gelesen“, erzählt sie. Das Thema Abfallverwertung interessierte sie besonders, vor allem in Deutschland, wo es dafür ein umfangreiches System gibt. Am Institut für Siedlungswasserbau, Wassergüte- und Abfallwirtschaft (ISWA) forscht sie nun als Wissenschaftliche Mitarbeiterin zu Mikrokunststoffen in Böden.
Das Wort „Abfall“ mag ich gar nicht so gerne. Ich sehe keinen Abfall, sondern Ressourcen – Produkte, die man wiederverwenden kann.
Hildemar Mendez
Mendez rekonstruiert den Weg von Mikroplastikpartikeln – Plastikteilchen, die kleiner als fünf Millimeter sind – von der Schokoladenfolie über die Bio-Mülltonne in die Abfallverwertung. Landet Plastik in der Bio-Tonne, landet es früher oder später in zerkleinerter Form in Komposten und Gärprodukten. Der mit Polymeren angereicherte Kompost führt dann zur Belastung von Böden. Gegenwärtig wird erforscht, ob Mikroplastik so auch in Lebensmittel gelangt, die auf diesen Böden wachsen und auch vom Menschen gerne mal als gesunde Schokoladen-Alternative verzehrt werden.
Biologisch abbaubar, kompostierbar, biobasiert
Ursache ist falsches Sortieren. In die Bio-Tonne wird gesteckt, was nicht in die Bio-Tonne gesteckt werden darf. Doch wer kennt schon den Unterschied zwischen „biologisch abbaubar“ und „kompostierbar“? „Obwohl Bio-Kunststoffe eine entsprechende Zertifizierung haben, sollten sie nicht in der Bio-Tonne landen – zumindest gegenwärtig nicht, weil die Zeit, die die Verwertung braucht, viel länger ist als die Verweilzeit in der Anlage“, erklärt Mendez.
Als „biologisch abbaubar“ darf gelten, was irgendwann biologisch abgebaut wird. Das kann auch in hundert Jahren der Fall sein. „Kompostierbar“ ist ein Produkt dagegen dann, wenn es innerhalb einer festgelegten Zeit und unter bestimmten Bedingungen zersetzt werden kann. In industriellen Anlagen vollzieht sich dieser Prozess durch entsprechende Temperaturen zwar schneller als auf dem Komposthaufen im privaten Garten, aber auch hier kann es sein, dass die Dauer in der Anlage zu kurz ist, um zu einem rückstandslosen Ergebnis zu führen. Gar nicht für die Bio-Tonne in Frage kommt ein Produkt, auf dem „biobasiert“ steht. Hier handelt es sich um Verbundstoffe mit hoher Hitzebeständigkeit, die weder biologisch abbaubar noch kompostierbar sind.
Simulation von Kompostierungs- und Vergärungsversuchen
Mendez bildet Kompostierungs- und Vergärungsversuche, wie sie in Abfallverwertungsanlagen im großen Stil stattfinden, im Labormaßstab ab. Sie untersucht, wie sich Makrokunststoffe aus dem Biomüll im Prozess der biologischen Verwertung in Anlagen verhalten. Dazu nimmt sie Einfluss in die Prozessführung: Sie schneidet Bio-Kunststoffe in verschiedene Größen und gibt sie in die Anlage, steuert die Temperatur und die mechanische Belastung. Zu unterschiedlichen Zeiten entnimmt sie Proben. Die Proben zeigen, inwieweit Fragmentierungen von Makro- zu Mikrokunststoffen stattfanden.
Während es zu der enormen Tier- und Umweltschädigung durch Mikroplastik in Gewässern und Ozeanen inzwischen eine breite Forschung gibt, sind die Bodenschädigungen noch kaum erfasst. Das vom Umweltministerium Baden-Württemberg geförderte Verbundprojekt zu Mikrokunststoffen und Gärprodukten aus Bioabfallverwertungsanlagen möchte das ändern. So wird Mendez‘ Forschung am ISWA mit in die Etablierung von einem Standard für Komposte und Gärprodukte einfließen.
Wer also weiterhin mit gutem Gewissen Bio-Schokolade kaufen möchte, sollte auf fair gehandelte Kakaobohnen und Umverpackung aus Recyclingpapier achten – und darauf, dass die „biologisch abbaubare“ Folie am Ende im Restmüll landet. Auch das Kunststoff-Recycling in Deutschland ist nicht für bio-abbaubare Kunststoffe geeignet.
Reihe „Fachrichtung Zukunft“
Die Reihe „Fachrichtung Zukunft“ präsentiert Nachwuchswissenschaft an der Universität Stuttgart zum Thema Nachhaltigkeit. Von bauphysikalischen Hausbaum-Analysen über Entwicklungsstudien auf den Philippinen bis zu Alternativen zu Lithium-basierten Batterien reicht die Forschung der Doktorand*innen und Wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen aus verschiedenen Instituten. Die Disziplinen übergreifend eint sie alle ein Ziel: Forschung für eine ökologisch bewusste Zukunft.