Die wissenschaftliche Mitarbeiterin Pia Krause vom Institut für Akustik und Bauphysik (IABP) untersucht, wie Hausbäume das Innenraumklima von Gebäuden beeinflussen können. Sie erklärt: „Ich erforsche, welche Auswirkungen verschiedene Grünstrukturen auf das Mikro- und Raumklima vor und in Gebäuden haben.“ Dafür erweitert sie ein Simulationstool, das auf Grundlage von Wetterdaten herausfiltert, wie stark Bäume in Gebäudenähe das Mikroklima modifizieren Das Mikroklima außen wiederum beeinflusst auch immer das Raumklima innen.
„Besonders stark ist die Auswirkung bei natürlicher Lüftung durch Fenster, dann kann die deutlich kühlere Luft einströmen“, erläutert Krause. „Aber selbst wenn kein Fenster vorhanden ist und es sich um eine Gebäudehülle mit hohem Standard handelt, kann man die Auswirkungen von Hausbäumen auf das Klima in den Innenräumen nachweisen.“
Wir sollten untersuchen, welche Potenziale das jahrhundertalte Prinzip Hausbäume auch für unsere heutige Zeit bietet und diese nutzen.
Pia Krause
Bisher gibt es viele Einzeluntersuchungen z.B. an besonders heißen Tagen berichtet die Wissenschaftlerin. Betrachtungen über ein ganzes Jahr über alle Jahreszeiten hinweg, wie sie es in ihrer Arbeit ausführt, gibt es noch wenige. Dabei haben die wechselnden Jahreszeiten jede ihre ganz besonderen Auswirkungen auf das Mikroklima, so Krause. Ein Laubbaum ist ein sehr dynamisches System z.B. in Bezug auf Jahreszeiten, Tagesverlauf, Verdunstung und Verschattung. Bäume beeinflussen den Transmissionsgrad (Sonneneinstrahlung), die Verdunstungsleistung sowie die Lufttemperatur und damit das sie umgebende Mikroklima. Eine Aufgabe von Krauses Arbeit ist die Messung der Wechselwirkung zwischen Verdunstungsleistung und Mikroklima. Dabei ist auch eine ausreichende Wasserversorgung der Bäume von Bedeutung. Wenn ein Baum zu wenig Wasser hat, fährt er die Verdunstung herunter und kann somit auch keine hohe Kühlleistung erbringen.
Eine weitere Aufgabe besteht darin, den Transmissionsgrad von Laubbäumen über die verschiedenen Jahreszeiten zu erfassen. Dafür geht Pia Krause in regelmäßigen Abständen, meist einmal die Woche, über den Campus und fotografiert bestimmte Laubbäume. Nach einer Bildbearbeitung zeigen Pixel die unterschiedlichen Transmissionsgrade an.
Hausbäume werden schon seit Jahrhunderten genutzt, um klimatische Vorteile zu erreichen
„Den Begriff Hausbaum habe nicht ich erfunden, sondern es gibt ihn schon lange. Das Prinzip Hausbaum ist historisch“, erklärt Pia Krause. Es lässt sich beispielsweise nachweisen, dass die Hotzenhäuser im Schwarzwald immer in bestimmter Weise von Bäumen umpflanzt worden sind und dass dies bewusst geschah, um klimatische Vorteile zu erreichen. Die Bäume sind immer auf der wetterzugewandten Seite gepflanzt, um das Haus zu schützen. Auch Dorfbäume als Windschutz haben Tradition. Natürlich kann man heute bessere Gebäudehüllen bauen. „Es ist trotzdem wichtig, dass wir untersuchen, welche Potenziale das jahrhundertalte Prinzip Hausbäume auch für unsere heutige Zeit bietet und diese Erkenntnisse nutzen“, so Pia Krause, „die multimodalen und positiven Wirkpotentiale von Hausbäumen müssen wir gegenwärtig, unter anderem aufgrund den Folgen des Klimawandels, wieder gezielt in unseren Städten integrieren.“
Messungen zeigen deutliche Auswirkungen
Pia Krause zeigt Messdaten vom 3. Juni 2021. Dies war kein besonders heißer oder strahlungsreicher Tag. Trotzdem weisen die Messungen vor dem Institutsgebäude am Pfaffenwaldring 7 deutliche Unterschiede des Mikroklimas auf, abhängig vom Baumbestand.
Um 11 Uhr liegen die Oberflächentemperaturen der außenliegenden Fassade ohne Baum bei etwa 53 °C. Mit Baum sind diese mit 24 °C um etwa 29 °C geringer. Dies hat auch eine Auswirkung auf die innenseitigen Oberflächentemperaturen des Bauteils. Auch hier werden Temperaturdifferenzen von bis zu 9°C identifiziert.
Ziel sind konkrete Handlungsempfehlungen
Mit ihren Messungen hat Pia Krause im August 2020 begonnen, jetzt ist sie fast fertig. Nun beginnt die Validierung des numerischen Modells.
Dann sollen daraus konkrete Handlungsempfehlungen abgeleitet werden. Was ist positiv, was bringt qualitative Verbesserungen, welche Auswirkungen auf das Innenraumklima konnten festgestellt werden? Welche Bäume sind besonders geeignet und wo sollte ein Baum gepflanzt werden, um den größtmöglichen Nutzen zu bringen?
„Besonders gut ist es, wenn Bäume vor der Ost- oder Westseite von Gebäuden stehen“, erklärt Pia Krause. Die Süd-Fassade sei nicht so günstig, weil Bäume hier im Winter den Strahlungseintrag in den Raum blockieren und im Sommer durch weitgehend senkrechten Sonnenstand kaum zur Verschattung der Fassade beitragen.
Hausbäume beeinflussen auch das Stadtklima positiv
Abgesehen von den Vorteilen für das Innenraumklima, wirken sich Hausbäume auch positiv auf das Klima von Städten aus. Hausfassaden heizen sich nicht mehr so stark auf und strahlen entsprechend weniger Hitze ab. Dadurch wird die Temperatur in der Stadt gesenkt. Darüber hinaus beeinflussen Bäume Flora und Fauna ihrer Umgebung und bieten eine grüne, strukturreiche Außenwelt. Winterlinden dienen z.B. als Lebensraum und Nahrungsquelle für vielzählige Insekten, zählt Pia Krause die zahlreichen Vorteile von Hausbäumen auf.
Pia Krauses Promotionsthema ist ein Bestandteil des Forschungsbereichs „Umweltgerechtes Bauen für Menschen, Flora und Fauna“ am IABP. Mit der Forschungsausrichtung werden die (stadt-)bauphysikalischen Wechselwirkungen von Grünstrukturen und Lebewesen in Städten untersucht und in konkrete Handlungsempfehlungen zur Gestaltung von zukunftsgerechte und lebenswerte Räume für Morgen transferiert.
Reihe „Fachrichtung Zukunft“
Die Reihe „Fachrichtung Zukunft“ präsentiert Nachwuchswissenschaft an der Universität Stuttgart zum Thema Nachhaltigkeit. Von bauphysikalischen Hausbaum-Analysen über Entwicklungsstudien auf den Philippinen bis zu Alternativen zu Lithium-basierten Batterien reicht die Forschung der Doktorand*innen und Wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen aus verschiedenen Instituten. Die Disziplinen übergreifend eint sie alle ein Ziel: Forschung für eine ökologisch bewusste Zukunft.