In einer Kläranlage entstand die Idee zum Forschungsprojekt des diesjährigen iGEM-Teams der Universität Stuttgart. 14 Studierende haben rund ein halbes Jahr eigenständig das Projekt „Lac-Man“ entwickelt. Dabei haben sie einen effizienten Wasserfilter erarbeitet, der Medikamentenrückstände im Abwasser beseitigt.
„Während der Exkursion in das Klärwerk haben uns die Beschäftigten dort verdeutlicht, wie viele Medikamentenrückstände im Abwasser zu finden sind. Das hat uns nachhaltig beschäftigt, und wir wollten etwas gegen die Wasserverschmutzung durch Medikamente tun“, sagt Christopher Adelmann, Leiter des iGEM-Teams. Für dieses Forschungsprojekt hat die internationale iGEM-Jury in Boston das Team der Universität Stuttgart jetzt mit der Goldmedaille ausgezeichnet.
Um Rückstände von Medikamenten wie zum Beispiel dem Schmerzmittel Diclofenac aus Abwässer zu filtern, haben die Studierenden sogenannten Silikatschaum hergestellt. Dabei handelt es sich um einen porösen, festen Schaum, der umweltfreundlich und gleichzeitig resistent gegen Lösungsmittel ist. In dessen winzige Poren haben sie Laccasen eingeschlossen. Diese Enzyme können Schadstoffe im Wasser neutralisieren.
Weil die Laccasen im Schaum gefangen sind, werden die Enzyme langsamer abgebaut und bleiben länger aktiv. Ein weiterer Vorteil ist, dass keine gentechnisch veränderten Organismen eingesetzt werden müssen. „Die Herstellung des Schaumes mit den Enzymen haben wir abgeschlossen. Er könnte nun unter realen Bedingungen in Kläranlagen erprobt werden“, sagt Adelmann.
iGEM-Wettbewerb: fächerübergreifend und divers
Zu iGEM gehört noch mehr als forschen und Ergebnisse präsentieren: „Wir müssen das gesamte Forschungsprojekt selbst entwerfen und organisieren. Dazu gehört zum Beispiel auch eine Projekt-Webseite. Ich habe in meinem Studium nie gelernt, eine Webseite zu programmieren. Dank iGEM haben wir uns das beigebracht“, erklärt der 23-Jährige Student der Technischen Biologie. Die Teilnahme am Wettbewerb ermöglicht den Studierenden viel Freiraum und Möglichkeiten, eigene Forschungsideen einzubringen. Dabei arbeitet das Team interdisziplinär: Neben Studierenden der Technischen Biologie waren dieses Jahr auch eine Chemikerin und ein Student aus dem Software Engineering im Team dabei. Damit ist das IGEM-Team ein herausragendes Beispiel für gelebte Diversität an der Universität Stuttgart.
Man darf nicht enttäuscht sein, wenn es mal nicht so läuft wie gedacht.
Christopher Adelmann, studentischer Leiter des iGEM-Teams 2020
Aufgrund der Corona-Pandemie war der Wettbewerb 2020 eine besondere Herausforderung. Die Studierenden konnten teilweise gar nicht oder nur in sehr kleinen Gruppen ins Labor. Statt nach Massachusetts zu fliegen und ihre Ergebnisse live zu präsentieren, gab es viele Online-Meetings und Videopräsentationen. Dennoch hat das Team das Beste aus der Situation gemacht und, so die Erfahrung von Adelmann: „Man darf nicht enttäuscht sein, wenn es mal nicht so läuft wie gedacht. Ich habe schnell begriffen, dass wir spontan auf Änderungen reagieren müssen, um das Projekt erfolgreich zu beenden.“ Und diese Leistung hat die Jury in Boston beeindruckt.
Professor Siemann-Herzberg, Koordinator des iGEM-Teams, ist ebenfalls von der Leistung der Studierenden begeistert: „Ich bin wirklich beeindruckt und ein wenig stolz auf unser diesjähriges studentisches iGEM Team! Und das gerade im Hinblick auf die diesjährige Situation. Kein Labor, Treffen im Internet und permanentes Hinzulernen von neuen www-Austauschforen, waren eine besondere Herausforderung.“ Er findet das Konzept iGEM großartig: „Ich hätte es nie für möglich gehalten, wie effektiv und gekonnt sich Studierende Wissen erarbeiten können. Man muss nicht immer alles vorschreiben oder vorkauen. Wenn sie wollen, reißen sie Bäume aus, auch ohne Standard-Vorlesungen und Leistungskontrollen. Für mich ist iGEM ein ideales Lernforum“.
Über iGEM
iGEM steht für international genetically engineered machine competition. Es ist der international renommierteste und größte Wettbewerb für Studierende auf dem Gebiet der synthetischen Biologie, der seit 2004 jährlich am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge (USA) ausgerichtet wird. Weltweit gibt es an zahlreichen Universitäten sogenannte iGEM-Teams, die aus zehn bis zwanzig Studierenden bestehen. Seit 2017 nehmen Teams der Universität Stuttgart daran teil.
In rund sieben Monaten entwickeln die jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler selbstständig ein eigenes Projekt. Die Forschungsergebnisse müssen in schriftlicher Form eingereicht werden. Im November präsentieren die Teams ihr Projekt und die Ergebnisse auf dem Wettbewerb in Boston und treten dort gegen die anderen Teams an. Dieses Jahr haben die Präsentationen online stattgefunden.