Seit Januar dieses Jahres ist der Verfahrenstechniker Zimmermann am Institut für Technische Thermodynamik und Thermische Verfahrenstechnik der Universität Stuttgart als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig. Im Rahmen des Projekts „Terra incognita“, eines Förderprogramms der Universität für Pionierforschung, geht er unter anderem den Fragen nach, welche Prozesse auf molekularer Ebene beim Konzentrationsausgleich in einer Flüssigkeit ablaufen, und welchen Einfluss Temperaturunterschiede in der Flüssigkeit auf die Durchmischung haben.
Zielgerichteter Medikamententransport
Die Prozesse, die bei einem solchen temperaturgetriebenen Transport ablaufen, sind überaus interessant, denn – so die Vision – entsprechend umhüllte Medikamente könnten gezielt zu Entzündungsherden im menschlichen Körper transportiert werden. An diesen Stellen ist nämlich die Temperatur erhöht. „Wir stehen ganz am Anfang“, sagt Zimmermann. Zunächst gelte es, den Einfluss der Elektrostatik, die fundamental wichtigen Kräfte für einen solchen Transport, zu verstehen. Es folgt das Entwickeln von Computerwerkzeugen, um diese Vorgänge zu berechnen und schließlich zu simulieren. Pandemiebedingt geht Zimmermann seinen Rechnungen aktuell noch nicht vor Ort in Stuttgart nach – sein Schreibtisch steht in Hamburg. Macht eigentlich nichts, denn sein Arbeitsplatz ist der Computer. Die Kolleginnen und Kollegen um seinen Chef, den stellvertretenden Institutsleiter Prof. Dr. Niels Hansen, die er bislang nur aus Onlinemeetings kennt, möchte er jedoch so bald als möglich real treffen.
Auf gut 13 Jahre Forschungserfahrung in vielen Ländern kann Zimmermann zurückblicken, der an der Technischen Universität Hamburg am Institut für chemische Reaktionskinetik promoviert hat. Bevor ihn sein Weg nach Stuttgart führte, arbeitete und forschte er in den USA am Lawrence Berkeley National Laboratory (LBL) in Berkeley an Batterien der nächsten Generation. Ob Handy, Laptop oder Elektroauto, Stromspeicher sind immer mehr gefragt. Die derzeit vielfach genutzten Lithium-Ionen-Akkus haben allerdings Nachteile: Lithium ist giftig, es reagiert empfindlich auf hohe Temperaturen, kann gar explodieren und sein Abbau geht mit einem enormen Wasser- und Energieverbrauch einher.
Magnesium für die Batterie der Zukunft?
„Umweltschonend und nachhaltig geht anders, Alternativen für Lithium als Leitungsion sind gefragt“, betont Nils Zimmermann, der schon Magnesium als möglichen Ersatz im Auge hat. Magnesium ist nicht giftig, es lässt sich relativ umweltschonend abbauen – und im Meerwasser ist reichlich vorhanden. „Mit Magnesium könnten auch höhere Speicherdichten erreicht werden“, fügt Nils Zimmermann an, schränkt aber gleich ein. Auf der Kathodenseite des Akkus bringe das kleine Magnesium-Ion, das gleich zwei Elektronen übertragen kann, Probleme mit sich. Klein und energiegeladen, wie es ist, zeichnet es sich nämlich durch hohe elektrische Anziehungskräfte aus. Im Gitter des Kathodenmaterials bewegt es sich überaus langsam.
Einmal angekommen, mag es seinen Platz eigentlich nicht mehr verlassen. Das ist jedoch entscheidend bei der Aufladung des Akkus, und daher ist nun die große Frage: Welches Kathodenmaterial hat die geringsten Transportbarrieren für Magnesium? Bei der Suche unter bekannten wie auch hypothetischen Materialien nutzt Zimmermann Supercomputer und setzt auf das von ihm entwickelte Berechnungsverfahren PfEFIS.
PfEFIS steht für “Potential of Electrostatic Finite Ion Size”. Die Methode basiert auf Ionenmodellen endlicher Größe und ermöglicht es, auf der Grundlage des elektrostatischen Potenzials, Diffusions-Sprung-Barrieren für die Magnesium-Ionen quantitativ abzuschätzen. Gut 10.000-mal schneller als mit den herkömmlichen Ansätzen lässt sich damit das Vorankommen der Magnesium-Ionen in anorganischen Materialien zuverlässig vorhersagen. „Anode, Kathode, Elektrolyt – Batterien sind komplex“, betont Zimmermann. Das Screening zahlreicher möglicher Kathodenmaterialien ist daher erst der Anfang, denn dann gilt es, den besten Elektrolyten zu finden.
Mein Herz schlägt für die Lehre und Weiterbildung, es macht mir unheimlich viel Spaß, mit Studierenden zusammenzuarbeiten.
Dr. Nils Zimmermann
Forschung ist datenfokussiert. Zahlen sagen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern alles. Nils Zimmermann, der sein Wissen gerne weitergibt, Open Access und Open Source unterstützt, schätzt dennoch auch gute Visualisierungen. Um Forschungsergebnisse im Rahmen der universitären Lehre zu vermitteln oder auch die Gesellschaft allgemein an neuestem Wissen teilhaben zu lassen, seien sie überaus hilfreich, führt er aus und betont: „Mein Herz schlägt für die Lehre und Weiterbildung, es macht mir unheimlich viel Spaß, mit Studierenden zusammenzuarbeiten, ihnen Wissen über Supercomputing und Simulation zu vermitteln.“
Für Bewegung abseits des Computers und der Moleküle sorgen bei Nils Zimmermann seine drei Kinder. Mit ihnen ist er dabei, Spielplätze zu entdecken – noch in Hamburg, gerne bald auch rund um Stuttgart. Wenn das Projekt „Terra incognita“ abgelaufen ist, würde er nämlich am liebsten an der Universität Stuttgart bleiben. Alle Unterlagen, die er benötigt, um sich auf eine Heisenberg-Professur zu bewerben, stellt er gerade zusammen.
Reihe „Fachrichtung Zukunft“
Die Reihe „Fachrichtung Zukunft“ präsentiert Nachwuchswissenschaft an der Universität Stuttgart zum Thema Nachhaltigkeit. Von bauphysikalischen Hausbaum-Analysen über Entwicklungsstudien auf den Philippinen bis zu Alternativen zu Lithium-basierten Batterien reicht die Forschung der Doktorand*innen und Wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen aus verschiedenen Instituten. Die Disziplinen übergreifend eint sie alle ein Ziel: Forschung für eine ökologisch bewusste Zukunft.