„Wir spielen uns die Bälle zu“, freut sich Prof. Thomas Maier, seit 2003 Leiter des Lehrgebiets Technisches Design und der „Dienstälteste“ der jetzt vier IKTD-Professoren. Und tatsächlich ergibt sich bei dem Gespräch im Pfaffenwaldring 9 ein Argument aus dem anderen, oder besser: ein Forschungsaspekt aus dem anderen. Ausgangspunkt ist dabei der Slogan „Wir konstruieren und designen Technik“, den sich das IKTD seit den 1980er-Jahren zu eigen gemacht hat. „Das passt immer noch und entwickelt sich als gemeinsames Credo.“
Der Ausbau besteht zunächst in einer Aufstockung der ehemals zwei auf nunmehr vier Professuren: Auf der Designseite kam bereits 2020 der Lehrstuhl „Interior Design Engineering“ hinzu, den Prof. Wolfram Remlinger vertritt. Im Bereich Konstruktion übernimmt Prof. Matthias Kreimeyer als Nachfolger von Prof. Binz den Lehrstuhl „Produktentwicklung und Konstruktionstechnik“. Zudem wurde der Lehrstuhl „Konstruktion im Leichtbau“ neu geschaffen, den Prof. Philipp Berendes leitet. „Es gibt wohl kein vergleichbares Institut in Deutschland mit dieser einzigartigen Fächerkombination“, betont Kreimeyer. „Die vier Schwerpunkte sind eine Besonderheit, mit der wir eine hohe Betreuungsgüte für unsere Studierenden und Doktorand*innen und gleichzeitig Breite und Kontinuität bei der Bearbeitung der Themen bieten können.“
Mit dem übergreifenden Fokus auf die Entwicklung und Gestaltung technischer Produkte gibt es viele Schnittstellen in der Fakultät. Dabei sind die Konstruktionstechnik und das Technische Design „eine eher übergreifende Disziplin“, meint Kreimeyer: „Wir schauen weniger auf der Objektebene, wie ein einzelnes Gerät oder eine Maschine gestaltet sein muss, sondern auf die Metaebene. Dabei beschreiben wir, welche Schritte im Produktentwicklungsprozess und welche technischen Prinzipien immer gleich sind.“ Die verbindende Frage laute: Wie entsteht ein Produkt? Dafür braucht es Modelle, Methoden und Werkzeuge: „Dies umso mehr in einem Umfeld, das von immer mehr Komplexität bestimmt und gleichzeitig digitaler, integrierter und internationaler geworden ist.“
Wir schauen weniger auf die Objektebene, sondern auf die Metaebene und beschreiben, welche Schritte im Produktentwicklungsprozess und welche technischen Prinzipien immer gleich sind.
Prof. Matthias Kreimeyer
Komplexe Systemarchitekturen
So klar die gemeinsame Linie, so ausdifferenziert sind die einzelnen Forschungsfelder und Perspektiven der vier Lehrstühle. Matthias Kreimeyer, der in seiner Geburtsstadt Hannover sowie in München und Paris Maschinenbau und Ingenieurwissenschaften studiert sowie an der TUM im Bereich Produktentwicklung promoviert hat, vertritt die Themen Methodische Produktentwicklung, Antriebstechnik und Berechnungsmethoden.
Sein besonderes Augenmerk ist auf komplexe Systemarchitekturen gerichtet, Stichwort „systems engineering“. Hier geht es nicht nur um Fragen der Modellierung, sondern vor allem darum, wie man Komplexität handhaben und herunterbrechen kann - gerade wenn diese in den frühen Phasen der Entwicklung noch teilweise unklar sind. „Die Systemarchitekturen und Entwurfswerkzeuge für die Industrie müssen simpler werden“, betont Kreimeyer. „Dafür müssen wir Methoden und Werkzeuge bereitstellen.“ Persönlich spannend empfindet es der 46-Jährige, Lösungen für den Mittelstand zu entwickeln. Zugute kommt ihm dabei, dass er in den letzten zwölf Jahren genau das gemacht hat: Seit 2010 arbeitete er in verschiedenen Funktionen bei MAN Truck & Bus SE, wo er zuletzt als Senior Vice President für die Produktstrategie und -planung emissionsfreier und autonomer LKWs verantwortlich war. Noch heute spricht er Studierenden gegenüber gerne über „meine LKWs“. „In Zukunft könnte dies aber auch eine beliebige andere Maschine sein oder ein integriertes System, in die man eine digitale Dienstleistung einkoppelt“, betont er.
Leichtbau in der Konstruktion
Auch Philipp Berendes hat die letzten zwölf Jahre seines Berufslebens in der Automobilindustrie verbracht, zunächst bei Bugatti und seit 2013 als Manager für konzeptionellen Leichtbau im Bereich der Produkteigenschaften beim Sportwagenbauer Porsche. Der Schwerpunkt des Maschinenbauingenieurs, der an der RWTH Aachen studiert und an der TU Braunschweig promoviert hat, ist der Leichtbau in der Konstruktion – eine Besonderheit.
„Leichtbaustoffe sind in aller Munde, wie diese in der Konstruktion sinnvoll eigesetzt werden können, wird noch wenig beleuchtet“, sagt der 43-Jährige. Sein Ansatz stellt den bisherigen Konstruktionsprozess auf den Kopf: „Wir simulieren zunächst die Strukturoptimierung, um bessere Startwerte für die Konstruktion zu bekommen und nähern uns dann in weiteren Simulationsschleifen der Zielfunktion an.“ Wichtig ist ihm dabei, nicht nur auf große Rechenleistung zu setzen, sondern die schaffende Tätigkeit des Ingenieurs in den Mittelpunkt zu rücken. Auch hier gibt es eine Vielzahl an Forschungsfragen: Wie wirken sich Leichtbauteile auf das Eigenschaftsspektrum von bewegten Systemen aus? Sind die Werkstoffe wirklich nachhaltig? „Leichtbau reduziert zunächst den Energiebedarf im Betrieb. Viele Leichtbau-Werkstoffe bringen aber einen großen CO2-Fußabdruck mit. Deshalb muss man über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg ehrlich analysieren, welcher Werkstoff wirklich der geeignetste ist.“ Daran schließ sich direkt eine weiter zentrale Frage an, so Berendes: „Welche Funktion im Produkt kann ich darüber hinaus durch Leichtbau positiv beeinflussen?“
Fokus Fahrzeuginnenraum
Der Fokus von Wolfram Remlinger ist das Design von Fahrzeuginnenräumen. Dahinter verbirgt sich mehr als coole Formen und edles Material. „Mein Forschungsgebiet umfasst die gesamte technische Innenraumkonzeption von Fahrzeugen, von der Analyse bis zur Gestaltung. Hierbei muss eine Vielzahl an Komponenten und Materialien zur Gestalt des Fahrzeuginnenraums zusammengeführt werden“, erklärt Remlinger.
„Wichtig ist es dabei, die technischen Möglichkeiten ebenso zu berücksichtigen, wie die menschlichen Bedürfnisse.“ Innovative rechnergestützte Verfahren und Modellierungen helfen dabei. Ein besonderes Augenmerk richtet Remlinger, der 2020 von Audi an die Universität Stuttgart gekommen ist, auf das Autonome Fahren und die daraus resultierenden Veränderungen im Fahrzeug-Cockpit.
Mensch-Maschine-Kommunikation im Fokus
Ein Schwerpunkt in der Arbeit von Thomas Maier war und ist die Mensch-Maschine-Kommunikation, was sich im Design von Interfaces, von Fahrzeugen sowie in methodischen Fragen von Design und Usability (Benutzerfreundlichkeit) widerspiegelt. „Wir fragen zum Beispiel, wie sich adaptive Systeme an den Menschen anpassen, und kommen dabei zu sehr interessanten Lösungen“, sagt Maier.
Ein Beispiel dafür ist das Projekt RUMBA, in dem Forschende der Universität Stuttgart mit zahlreichen Partnern aus Wirtschaft und Wissenschaft untersuchen, wie die Interaktion im automatisierten Fahren künftig gestaltet werden muss, um unter den geänderten Gegebenheiten des hochautomatisierten Fahrens Komfort und Sicherheit zu gewährleisten. Auch Maiers Forschungsgebiet entwickelt sich kontinuierlich weiter, und dabei sind auch kritische Fragen erlaubt: Wie zukunftsfähig sind Touchscreens? Wie muss ein Fahrzeug aussehen, damit es leicht ist und dennoch wertig aussieht? Wie kann Fahrzeugdesign Nachhaltigkeit visualisieren?
Breites Spektrum im Geräte-, Maschinen- und Anlagenbau
Auch wenn das Automobil in den einzelnen Lebensläufen der Professoren eine starke Rolle spielt, auf die Formel „Autolehrstuhl“ wollen sie sich nicht verkürzen lassen. Auf der Agenda stehen vielmehr ein breiter Fokus auf Maschinen und Anlagen in allen Formen: „Technische Entwicklung und Design leben davon, die Erfahrungen aus unterschiedlichsten Industriebereichen, aber auch zum Beispiel aus den Sozialwissenschaften aufzugreifen und in die Forschung zurückfließen zu lassen“, fasst Kreimeyer zusammen. Bei modernen Antriebstechnologien zum Beispiel sei das Auto nach wie vor ein Innovationstreiber und ein wichtiger Standortfaktor in Deutschland, der in viele andere Bereiche hineinwirkt. „Das drei von uns in diesem Bereich viel Erfahrung sammeln konnten, bringt einen Aktivposten an die Universität.“
Moderne Lehre
Die Studierenden dürfen vom IKTD „moderne Lehre“ erwarten. Konkret bedeutet dies eine Verschiebung des Schwerpunkts der Lehrinhalte von der konventionellen Mechanik hin zu integrierten Systemen mit vielen digitalen Anteilen sowie zu gewandelten Geschäftsmodellen. „Ein Ingenieur braucht heute ganz andere Werkzeuge, um eine zeitgemäße Maschine zu entwickeln“, betont Kreimeyer. Eine weitere Herausforderung in der Lehre werde die Überwindung der Corona-Spätfolgen sein. Gerade im Grundstudium haben das interaktive Arbeiten in Kleingruppen und auch die Vernetzung der Studierenden untereinander sehr gelitten, stellen die Professoren unisono fest. „Wir haben eine große Bugwelle an Studierenden, die weitgehend entkoppelt sind vom regulären Studienbetrieb und zwei bis vier Semester länger brauchen. Und die wollen wir natürlich unterstützen!“. Für die Zukunft sei zu diskutieren, wie digital und offen die Lehrmaterialien sein müssen und welche Didaktiken erforderlich sind. Was das genau bedeutet und wie Werte wie Chancengleichheit zu gewährleisten sind, bleibe abzuwarten: „Hier sind Vorsicht und Augenmaß gefragt.“
Weitere Informationen: Institut für Konstruktionstechnik und Technisches Design IKTD