Ressourcen sind begrenzt. Die Weltbevölkerung wächst. In der Politik ist der Klimawandel angekommen. Bioökonomie setzt als Wirtschaftsform auf nachhaltige biobasierte Wertschöpfungsketten, die die Nutzung fossiler Rohstoffe ablösen. Gleichzeitig wird ökonomisches Wachstum erreicht, wenn ökologische, soziale und wirtschaftliche Faktoren gemeinsam im Blick sind.
Bioökonomie ist eine Wirtschaftsweise, die durch wissensbasierte Erzeugung und Nutzung biologischer Ressourcen, Prozesse und Prinzipien Produkte, Verfahren und Dienstleistungen in allen wirtschaftlichen Sektoren im Rahmen eines zukunftsfähigen Wirtschaftssystems bereitstellt.
Landesstrategie Nachhaltige Bioökonomie Baden-Württemberg, 2019
Mit Bioökonomie zur Nachhaltigkeit
Um den wirtschaftlichen Wandel hin zur Nachhaltigkeit zu gestalten, hat das Land Baden-Württemberg 2019 die Strategie „Nachhaltige Bioökonomie“ beschlossen. Prof. Ralf Takors war bereits in der Vorstudie einer der wissenschaftlichen Wegbereiter des Vorhabens. Seit November 2020 ist er Mitglied des im Anschluss gegründeten Beirats „Nachhaltige Bioökonomie“ der Landesregierung.
„Es ist kein Zufall, dass gerade Baden-Württemberg mit einer Nachhaltigkeitsstrategie überzeugt, die europaweite Anerkennung und sogar Lobesworte von Christian Patermann findet“, ist der Leiter des Instituts für Bioverfahrenstechnik der Universität Stuttgart überzeugt. Erläuternd verweist er auf die grün geführte Landesregierung: „Baden-Württemberg hat großes Interesse daran, dem Klimawandel aktiv zu begegnen.“ Christian Patermann war in Brüssel Direktor für Umwelt und Nachhaltigkeit der EU. Er begründete auch den Bioökonomierat, den es auf Bundesebene bereits seit 2009 gibt.
Das Pariser Klimaabkommen gibt der europäischen Politik ein 1,5-Grad-Ziel vor: Maximal eineinhalb Grad soll die globale Erwärmung bis zum Jahr 2100 gegenüber vorindustriellem Niveau steigen. Zum Emissionsziel wurde die Netto-Null erklärt. Tatsächlich sind die globalen Treibhausgas-Emissionen in den letzten gut fünf Jahren weiter gestiegen.
Die CO2-Steuer in Deutschland gilt seit Januar 2021. Sie ist Teil des Klimaschutzprogramms 2030 der Bundesregierung. Besteuerung von Heiz- und Kraftstoffen ist ein politisches Ventil, um Klimaziele zu erreichen. Was die Endverbraucher*innen auf der Tankrechnung bemerken, löst bei Unternehmen Bereitschaft zum Umdenken aus. Wer viel CO2 ausstößt und pro Tonne 25 Euro – Tendenz steigend – bezahlen muss, der beschäftigt sich schon allein aus wirtschaftlichen Gründen mit Ökologie.
Die Landesstrategie „Nachhaltige Bioökonomie“ wurde 2019 vom Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz sowie dem Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft in enger Kooperation mit Wissenschaftler*innen entwickelt und von der Landesregierung beschlossen. Die Strategie zielt auf den Einsatz nachwachsender oder im Kreislauf geführter Rohstoffe. Dadurch sollen einerseits natürliche Lebensgrundlagen geschützt und andererseits der Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg gestärkt werden.
Wirtschaftlichkeit als Kernelement
„Ziel ist eine Kreislaufwirtschaft mit Null-Emission“, erzählt Takors. Man habe sich lange auf fossile Rohstoffe konzentriert und die Nachteile daraus auch kaum selbst zu spüren bekommen. Die wissenschaftlichen Grundlagen aus der Biotechnologie und Bioverfahrenstechnik hätten schon viel länger eine Bioökonomie ermöglicht. „Einen politischen Drive hat das aber erst gewonnen, als Ressourcenknappheit und Folgen des Klimawandels in den Fokus traten“, führt Takors aus.
Spätestens mit der CO2-Besteuerung werden auch bislang nicht gesehene Folgen eigenen industriellen Handelns ökonomisch spürbar. Takors betont: „Es geht aber nicht darum, die Wirtschaft zu bestrafen – im Gegenteil, sie wird bei den Veränderungsprozessen begleitet und gewinnt selbst mit. Wer konsequent bioökonomisch denkt, kann Einsparungen verzeichnen.“
Produktion zurück ins Land
Ein Beispiel ist der Rohstoff Zucker. Zucker kann in Deutschland angebaut werden. Zucker kann gleichzeitig eingesetzt werden, um in mikrobiologischen Verfahren aus pflanzlichen Ausgangsstoffen natürliche Aromastoffe zu gewinnen. Ein exotisches Aroma muss in der Folge nicht auf den deutschen Markt eingeflogen werden, sondern wird in inländischer Industrie hergestellt. Damit wird gleichzeitig der eigene Wirtschaftsstandort gestärkt und attraktive Arbeitsplätze, gerade im ländlichen Raum, entstehen.
„Man müsste den Zucker theoretisch noch nicht einmal extra anbauen“, führt Takors aus. Sogar aus Getreide, das bislang als Reste auf dem Feld liegen bleibe, könne man Zucker gewinnen – obgleich das natürlich sehr aufwändig wäre und wiederum andere Folgen für die Umwelt hätte. Aber auch tatsächliche Abfallprodukte wie der klassische Haushaltsmüll kann durch Vergasung und Zufügung von Wasserstoff erneut in den Wertstoffkreislauf eingebunden werden.
Firmen beteiligen sich
Aus der Tätigkeit in der Beratung der Regierung heraus entstand die Begleitung konkreter Firmen im Land. „Wir haben geschaut, wer die großen Emittenten sind, wer also sehr viel Treibhausgase ausstößt. Diese Unternehmen haben wir dann gezielt angesprochen und unsere Beratung angeboten“, berichtet Takors.
Fühlt man sich da nicht ertappt? – Im Gegenteil. „Die Firmen reagieren ausnehmend positiv auf unser Beratungsangebot“, so Takors. „Sie wissen, dass sie sich Gedanken machen müssen, um auf dem Markt bestehen zu können. Selbst diejenigen, die bislang gar nichts mit Bioökonomie zu tun hatten, arbeiten äußerst konstruktiv mit.“
Davon, dass Bioökonomie gleichermaßen für Natur- und Umweltschutz wie auch Wirtschaftswachstum steht und genau das der Weg in eine erfolgreiche Zukunft ist, sind Unternehmen in Baden-Württemberg schnell überzeugt.