Man spricht von ihnen als den dunkelsten Geheimnissen des Universums: die Schwarzen Löcher. Jetzt hat der deutsche Astrophysiker Reinhard Genzel, Direktor am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching, den Physik-Nobelpreis für seine Forschung zu Schwarzen Löchern, insbesondere des Schwarzen Lochs im Zentrum unserer Milchstraße, erhalten. Prof. Dr. Alfred Krabbe hat zwischen 1987 und 1997 und zwischen 2000 und 2003 eng mit Reinhard Genzel zusammengearbeitet und mit ihm zusammen geforscht. Prof. Alfred Krabbe ist am Institut für Raumfahrtsysteme der Universität Stuttgart zuständig für Flugzeugastronomie und extraterrestrische Raumfahrtmissionen. Seine Schwerpunkte sind Astrophysik, Infrarotstrahlung und Infrarotinstrumentierung, Spektroskopie, SOFIA, das Galaktische Zentrum, Schwarze Löcher, nahe Galaxien und Theologie.
Prof. Krabbe, warum faszinieren uns Schwarze Löcher so?
Alfred Krabbe (AK): Bereits die Bezeichnung »Schwarze Löcher« klingt irgendwie gefährlich und sie sind es auch. Man sollte ihnen nicht zu nahe kommen. Schwarze Löcher sieht man nicht, und deshalb umgibt sie die Faszination des Geheimnisvollen. Schließlich gelten sie als so etwas wie das Ende der Welt. Wer da hingeht, kann niemals mehr in unser Weltall zurückkehren.
Was begeistert Sie an Schwarzen Löchern, worin besteht der Reiz sich mit ihnen zu befassen?
AK: Die Existenz Schwarzer Löcher folgt aus Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie, die eine der abgefahrensten Theorien der Natur ist. Aber solche Theorien müssen auch auf verschiedene Weise bestätigt werden, damit sie als vernünftig gesichert gelten und die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit ihrer Gültigkeit rechnen können. Daher werden Voraussagen der Allgemeinen Relativitätstheorie auf ganz verschiedene Weise immer wieder untersucht. Die gute Nachricht ist: Bislang hat Einstein alle Tests mit Bravur bestanden.
Meine Motivation, mich damals mit den Schwarzen Löchern zu beschäftigen, war natürlich ihre noch unbewiesene Existenz. Es gab durchaus Vermutungen unter den Astrophysiker*innen und auch starke Meinungen, die zum Teil auch erheblich divergierten. Irgendwie musste daher eine Entscheidung her. Da wir wegen der dichten Staubwolken im Vordergrund des Zentrums unserer Milchstraße nur infrarote Strahlung empfangen können, begann ein Wettlauf mit hochpräzisen Infrarot-Instrumenten. Das Zentrum unserer Milchstraße entwickelte sich zu so etwas wie dem Heiligen Gral der Infrarotastronomie. Ich habe damals ein neues abbildendes Infrarot Gitter-Spektrometer entwickelt und eingesetzt, das präziseste, was es zu der Zeit gab.
Was haben Sie mit dem Instrument entdeckt?
AK: Zusammen mit Kameradaten konnten wir den Raumbereich, in dem diese Riesenmasse verborgen war, so weit eingrenzen, so dass wir überzeugt waren: 4 Millionen Sonnenmassen in einem so kleinen Raum; das kann nur noch ein Schwarzes Loch sein. Kurz darauf wurden von anderen Mitarbeitern in der Gruppe eine neue noch präzisere Kamera gebaut, mit denen man noch näher an das Schwarze Loch herankam. Mit der gelang dann der Beweis noch überzeugender. Es war ein regelrechtes Wettrennen zwischen Andrea Ghez und Reinhard Genzel und ihren Teams.
Welche Bedeutung misst die Astrophysik den Schwarzen Löchern zu? Was ist der Stand der Forschung zu schwarzen Löchern?
AK: Zunächst einmal wurde bewiesen, dass es Schwarze Löcher überhaupt gibt. Das war kompliziert genug und ist ein Meilenstein in der Astrophysik. Die schwersten Schwarzen Löcher befinden sich in den Zentren von Galaxien. Nun wissen wir, dass sie dort existieren. Wir können sie nun in den Theorien zur Entwicklung von Galaxien berücksichtigen. Die Wechselwirkung Schwarzer Löcher mit ihrer Umgebung ist ein aktuelles Forschungsfeld. Außerdem ist mit dem Beweis der Existenz großer Schwarzer Löcher auch die Existenz kleiner Schwarzer Löcher sehr wahrscheinlich geworden. Diese kleinen Schwarzen Löcher bilden sich vorzugsweise in explodierenden Sternen, also bei Supernovae Ereignissen. Mindestens ebenso wichtig sind die Schwarzen Löcher für die Tests der Allgemeinen Relativitätstheorie Einsteins in äußerst extremen Umgebungen.
Der Raum und die Zeit werden verändert, ja gebogen und bei rotierenden Schwarzen Löchern sogar verdrillt.
Prof. Alfred Krabbe
Der Raum und die Zeit werden verändert, ja gebogen und bei rotierenden Schwarzen Löchern sogar verdrillt. Reinhard Genzel und sein Team hat in den letzten Jahren dazu verschiedene Experimente durchgeführt. Die Bewegungen von Sternen in der Nähe des Schwarzen Lochs verlaufen in der Tat nicht so, wie dies die Kepler‘schen Gesetze voraussagen. Es gibt signifikante Abweichungen, die exakt den von Einstein vorausgesagten entsprachen. Außerdem wiesen sie nach, dass sich Gas in der Nähe dieser Löcher mit extrem hoher Geschwindigkeit bewegt. Das Gas wird so stark von dem Schwarzen Loch angezogen, dass es sich mit etwa 1/3 der Lichtgeschwindigkeit bewegen muss, um nicht in das Schwarze Loch zu geraten. Mit so einer Geschwindigkeit könnten Sie in etwa vier Sekunden von der Erde zum Mond fliegen. Die extreme Geschwindigkeit nützt dem Gas aber nicht viel. Durch Reibung verliert es Energie und fällt dennoch hinein.
An der Universität Stuttgart ist Astrophysik als Thema dem Institut für Theoretische Physik zugeordnet. Was wird da vermittelt?
AK: Dort werden von den Kollegen Wunner und Main unter anderem die Eigenschaften von Schwarzen Löchern, Neutronensternen und auch von Gravitationswellen als Beispiele für die Ergebnisse der Allgemeinen Relativitätstheorie angeschaut. Seitdem die Existenz Schwarzer Löcher nachgewiesen ist, erhalten diese theoretischen Betrachtungen nun auch wirklichkeitsnahe Relevanz und sind daher viel mehr als nur eine interessante akademische Übung.
Sie haben damals sehr eng mit Reinhard Genzel zusammengearbeitet und mit ihm einen Haufen von Helium-Sternen in der Nähe des Schwarzen Lochs entdeckt. Was hat es damit auf sich?
AK: Ich hatte ein neues Fabry-Perot Interferometer gebaut, und mit dem entdeckten wir in der unmittelbaren Umgebung des Schwarzen Lochs einen Haufen mit etwa 15 Sternen, die Heliumstrahlung emittierten. Das sind extrem massereiche Sterne, die etwa hundertmal so schwer sind wie die Sonne und mehr als ein hunderttausendmal heller als die Sonne leuchten. In der übrigen Milchstraße waren bis dahin nur eine Handvoll weitere Exemplare bekannt. Solche Sterne haben auch nur ein ganz kurzes Leben, ein paar Millionen Jahre. Sie verausgaben sich viel zu schnell. Die Frage war nun: Wie sind die vielen extrem massereichen Sterne vor wenigen Millionen Jahren entstanden, und wie gelangten sie so schnell in Nähe des Schwarzen Lochs? Ihre Existenz muss irgendetwas mit dem Schwarzen Loch zu tun haben, aber was? Die Frage ist bis heute unbeantwortet und bleibt vorerst ein Rätsel.
Beschäftigen Sie sich an der Universität Stuttgart noch mit der gleichen Thematik wie Reinhard Genzel? Arbeiten Sie noch zusammen oder interessieren Sie heute andere Fragen?
AK: In Stuttgart untersuchen wir den Materiefluss in der Umgebung des Schwarzen Lochs. Es geht um die Frage, woher das ganze Gas, das ganze Material kommt, das zur Bildung der Heliumsterne benötigt wird. Dazu beobachten wir das Zentralgebiet der Milchstraße mit dem Stratosphärenobservatorium SOFIA. Wir benutzen unser FIFI-LS Instrument, um den Weg der Materie zu verfolgen. Dazu untersuchen wir allerdings ein größeres Gebiet, während Reinhard Genzel sich auf das winzige eigentliche Zentrum mit dem Schwarzen Loch konzentriert. Daher arbeiten wir nicht direkt zusammen, aber in derselben Gegend.
Tauschen Sie sich noch mit Reinhard Genzel aus und haben Sie ihm gleich gratuliert?
AK: Wir treffen uns gelegentlich, und natürlich habe ich ihm gleich gratuliert. Er hat sich gefreut und mir trotz seiner Terminenge bereits geantwortet. Ich habe viele gute Erinnerungen an unsere gemeinsame Zeit in Garching und in Berkeley. Alle drei Laureaten haben den Preis wirklich verdient, und ich freue mich sehr für sie und ihre Gruppen. Damals in Berkeley hatte ich mein Büro neben dem von Charles Townes, dem Entdecker der Laserstrahlung. Ich habe ihn immer um seinen kostenlosen Parkplatz direkt vor der Institutstür beneidet, der dort nur Nobelpreisträgern zusteht. Nun kann ich Reinhard Genzel um diesen Parkplatz beneiden. Wer immer in Berkeley sein Auto büronah abzustellen versucht, schätzt ein solches Privileg außerordentlich.