Es ist eine Herausforderung, Publikationen zur mathematischen Grundlagenforschung so anschaulich zu erklären, das auch Nicht-Mathematiker*innen diese verstehen oder wenigstens eine Vorstellung davon bekommen, worum es geht. Darüber sind sich die Mathematiker*innen Prof. Dr. Andrea Barth und Robin Merkle einig. Barth leitet die Forschungsgruppe Computational Methods for Uncertainty Quantification am Institut für Angewandte Analysis und Numerische Simulation (IANS) und ist PI am Exzellenzcluster SimTech. Robin Merkle hat an der Universität Stuttgart seinen Master in Mathematik absolviert und promoviert in der Forschungsgruppe von Prof. Barth.
Originalpublikation
R. Merkle and A. Barth (2022). Subordinated Gaussian Random Fields in Elliptic Partial Differential Equations. Stoch PDE: Anal Comp, 2022, https://doi.org/10.1007/s40072-022-00246-w
„Wir wollen ein Modell entwickeln, mit dem reale Prozesse beschrieben werden können. Das kann beispielsweise die Entwicklung von Aktienkursen sein oder die Belastungsfähigkeit von Materialien“, erklärt Andrea Barth. „Diese Prozesse sind allerdings so kompliziert, das eine exakte Beschreibung nicht handhabbar ist, deshalb müssen wir abstrahieren.“
Als Beispiel nennt sie folgende Situation: Eine Stadt hat eine Frischwasserquelle und eine Abfalldeponie. Wie kann verhindert werden, dass Stoffe aus der Deponie bis zur Frischwasserquelle vordringen und diese verunreinigen. Ein stochastisches Modell könnte diese Aufgabe lösen, indem es den Untergrund der Deponie und seine Eigenschaften auf eine abstrakte Art und Weise beschreibt. Abstrakt, weil die Eigenschaften so komplex sind, dass sie nicht wirklich alle erfasst werden können. Zudem hat ein abstraktes Modell den Vorteil, dass es sich auch auf andere Situationen übertragen lässt.
Ziel solch eines Modells wäre es, der Stadt eine Empfehlung zu geben, wo die Deponie gebaut werden sollte, da dort die Wahrscheinlichkeit einer Verunreinigung am geringsten sowie der finanzielle Aufwand tragbar ist.
Bleiben wir weiter bei dem Beispiel: Der Untergrund ist nicht homogen, sondern besitzt Regionen, die eine höhere Durchlässigkeit aufweisen als andere. Leider kann man das Material nicht vollständig scannen und so die unterschiedlichen Bereiche finden. Hilfe bietet die stochastische Modellierung, die die durchlässigen Bereiche miteinbezieht. „Der gesamte Untergrund kann mit Zufallsfeldern modelliert werden“, erklärt Barth. Das stochastische Modell erlaubt dann eine Aussage darüber, wie sich das Material im Mittel verhält, wie wahrscheinlich es ist, dass es eine bestimmte Menge an Schadstoffen durchlässt. „Wir treffen mit unseren mathematischen Modellen Aussagen über Wahrscheinlichkeiten“, sagt die Mathematikerin und schränkt ein, „das heißt nicht unbedingt, dass diese auch eintreffen, man kann auch daneben liegen.“ Aber das stochastische Modell liefert eine Einschätzung. Im Prinzip nutze jeder Mensch die Berechnung von Wahrscheinlichkeiten, zum Beispiel, um bestimmte Risiken bei Entscheidungen abzuschätzen, so die SimTech-Wissenschaftlerin.
„Unsere stochastische Modelle beziehen sich nicht auf eine konkrete Anwendung, sondern sind sehr allgemein konstruiert. Mit dem abstrakten Modell können wir anschließend vollkommen verschiedene Prozesse bzw. Problemstellungen abbilden und sind nicht an eine bestimmte Anwendung gebunden“, erklärt Robin Merkle. „Je abstrakter, desto einfacher lässt sich das stochastische Modell verallgemeinern.“
Die Forschenden schaffen damit ein „Werkzeug“, das Wissenschaftler*innen aus verschiedenen Bereichen nutzen können. Diese passen es für ihre Anwendungen an und entwickeln es nach Bedarf weiter. Das Exzellenzcluster SimTech bietet den beiden Forschenden die Möglichkeit zum interdisziplinären Austausch mit anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Auch mit den Materialwissenschaftler*innen des SFB 1313 „Grenzflächengetriebene Mehrfeldprozesse in porösen Medien – Strömung, Transport und Deformation“ stehen sie in Kontakt.
„Manchmal werden unsere Modelle für Bereiche eingesetzt, an die wir noch gar nicht gedacht hatten. Mein Ansporn ist, für ein mathematisches Problem Lösungen zu finden,“ beschreibt Barth ihre Motivation, „dafür muss man kreativ sein. Die Lösungen bringen auch die Mathematik weiter.“
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Andrea Barth
Prof. Dr.Prüfungsausschussvorsitzende Bachelor Mathematik B.Sc. Leiterin der Forschungsgruppe