Tipps für Gründer
Time Tagger heißt die „Stoppuhr“, mit welcher die drei Alumni der Universität Stuttgart Helmut Fedder, Michael Schlagmüller und Markus Wick ihr Startup Swabian Instruments gegründet haben. „Wir stellen Messgeräte her, die elektrische Signale besonders schnell erfassen können“, erklärt Fedder. „Das Besondere daran ist, dass man damit mit extrem hoher zeitlicher Präzision einzelne Lichtteilchen messen kann.“ Der herkömmliche Anwendungsbereich für den Time Tagger liegt in der Quantenphysik und Quantentechnologie.
Doch Fedder und seine Mitarbeiter entdecken immer mehr Forschungsbereiche und Technologieplattformen, die ihre Geräte einsetzen können wie zum Beispiel Medikamentenforschung oder Tumor- und Virusdiagnose. Bei der Virusdiagnose werden DNA-Bausteine mit fluoreszierenden Farbstoffen markiert. Sobald die richtigen Moleküle aneinander andocken, leuchtet es kurz auf. Das Messgerät zählt dabei mit wie oft und in welcher Farbe es aufleuchtet. „Mikroskopie von einzelnen Molekülen hört sich exotisch an, aber es ist eine vielversprechende Entwicklung, mit der DNA in Zukunft hoffentlich schneller bestimmt werden kann“, sagt der 42-jährige.
Swabian Instruments: Forschung trifft Praxis
Die Idee zum Time Tagger kam Fedder als er von 2008 bis 2016 als Postdoc am 3. Physikalischen Institut [en] der Universität Stuttgart gearbeitet hat. „Für meine eigene Forschung brauchte ich Messgeräte, die es nicht gab“, erinnert sich der Physiker. „Also habe ich angefangen, eigene Geräte zu entwickeln.“ Prof. Jörg Wrachtrup, 3. Physikalisches Institut, hat ihn als Betreuer unterstützt und gemeinsam mit den späteren Mitgründern Schlagmüller und Wick hatte das Team nach kürzester Zeit die ersten Messgeräte fertig. Fedder ist besonders stolz auf die gute Zusammenarbeit im Team und den Einsatz seiner Mitgründer: „Wir haben institutsübergreifend zusammengearbeitet. Das ist in der Wissenschaft nicht die Regel und dadurch ist hochwertige Arbeit entstanden.“ Vernetzte Disziplinen und fächerübergreifende Zusammenarbeit, der sogenannte „Stuttgarter Weg“, ist ein Markenzeichen der Universität Stuttgart.
In einem Jahr zum Technologieführer
Auf Empfehlung von Prof. Jörg Wrachtrup und Prof. Tilman Pfau, 5. Physikalisches Institut, haben sich Fedder, Schlagmüller und Wick für das EXIST-Gründerstipendium vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie beworben. Durch Maßnahmen wie ein Jahresgehalt, Geld für Sachausgaben, Coaching, Arbeitsplätze an der Universität und einen Mentor, hält das Stipendium Gründer*innen den Rücken frei. So können diese einen Businessplan entwerfen und sich auf ihre Arbeit konzentrieren. Swabian Instruments haben mit dem Stipendium ihr Produkt kommerzialisiert und marktfähig gemacht.
Unterstützt wurden sie dabei von der Technologie-Transfer-Initiative (TTI) der Universität Stuttgart. Die TTI GmbH berät Studierende in allen gründungsbezogenen Fragen. „Während des Stipendiums war es das allerwichtigste, weltweit an Universitäten zu verkaufen“, sagt Fedder. „Und wir haben den Time Tagger Ultra herausgebracht, den großen Bruder des ersten Time Taggers. Relativ schnell hatten wir die beste Zeitauflösung weltweit am Markt. Wir sind unheimlich schnell gewachsen und waren bald sogar Technologieführer.“ Deshalb hat die TTI angeregt, sich für den Innovationspreis Baden-Württemberg zu bewerben. Der Innovationspreis wird an kleine und mittlere Unternehmen aus Industrie, Handwerk sowie technologischer Dienstleistung vergeben. Das Land zeichnet die Entwicklung neuer Produkte aus, Verfahren und technologische Dienstleistungen oder Anwendung moderner Technologien. „Beim Innovationspreis gibt es fünf Preisträger und einen Sonderpreis“, erklärt Fedder. „Wir hatten höchstens mit dem Sonderpreis gerechnet, weil wir noch ein ganz kleines Unternehmen waren. Die anderen Preisträger haben etwa 500 Mitarbeiter*innen. Wir waren zu der Zeit etwa sechs.“ Aber die drei Schwaben haben die Jury überzeugt und es unter die Top drei geschafft.
Damit nicht genug, 2019 wurde das Team für den deutschen Gründerpreis nominiert, bei welchem es Swabian Instruments wieder unter die Finalisten schaffte. Zum Preispaket gehörte unter anderem Medientraining beim ZDF, ein professioneller Unternehmensfilm und Berichterstattung in verschiedenen Medien. Inzwischen hat das Startup 16 Mitarbeiter*innen und arbeitet auf dem technischen Niveau von Intel oder Google. Außerdem sind Fedder und sein Team weiterhin an Forschungsprojekten der Universität beteiligt. „Wir betreuen gemeinsame Doktoranden mit der Universität. Das ist sensationell“, sagt Fedder. „Wir freuen uns, dass die Professoren uns tatkräftig unterstützen und dass wir in unserem kleinen Team so viel kreative Forschung machen können.“
Startup kämpft bei der Immobiliensuche
„In der Retrospektive muss man sicher sagen, dass ist einfach auch sehr gut gelaufen“, freut sich Fedder. „Es gab aber tatsächlich einen Punkt, der uns einige Nerven gekostet hat: die Immobiliensituation in Stuttgart.“ Etwa eineinhalb Jahre mussten die Gründer suchen, bis sie ein Büro gefunden haben. „Wir haben zeitweise mit sieben bis acht Leuten auf 40 Quadratmetern gearbeitet. Unsere EXIST-Garage ist nach kurzer Zeit aus allen Nähten geplatzt“, erinnert der Physiker sich. Inzwischen hat die Firma in Zuffenhausen ein neues Büro gefunden.
Tipps für Gründer
Fedder nennt zwei Tipps, um ein erfolgreiches Startup zu gründen. Das Wichtigste am Anfang ist, etwas zu verkaufen: „Wenn ich eine Idee habe, dann muss ich mich fragen: Kann ich das verkaufen? Ich muss mir so konkret wie möglich überlegen, wenn ich jetzt in die Fußgängerzone in Stuttgart gehe, wenn ich alle meine Kolleginnen und Kollegen anrufe, wie viele kaufen mir das ab? Dann muss ich sie anrufen und sie wirklich fragen. Und dann habe ich am Ende drei Stück verkauft.“ Ganz konkret zu wirtschaften, sei unheimlich wichtig, betont Fedder. „Ich sollte nicht zwei bis drei Jahre warten, bis ich fertig entwickelt habe, und dann hoffen, dass mir irgendjemand dabei hilft, das zu verkaufen, sondern von Anfang an selbst verkaufen.“
Der zweite Tipp ist ein gutes Team: „Wir haben gesagt, das Allerwichtigste im Team sind gute Mitarbeiter*innen. Da werden wir uns immer die Zeit nehmen, sie zu suchen und das dauert einfach, bis man die guten Leute hat.“ Man müsse nicht unbedingt viele unterschiedliche Fachrichtungen im Team haben. Es dürfe ruhig drei Ingenieur*innen geben, oder auch drei Marketingstudierende. Allerdings muss im Team klar sein, wer was übernimmt und alle unternehmerischen Bereiche müssen abgedeckt sein. „Das hat unsere Wachstumsgeschwindigkeit bestimmt“, erklärt Fedder. „Von den Finanzen her hätten wir das Team schneller aufbauen können und schneller mehr Leute einstellen können. Aber wir haben uns gesagt, wir wollen erstens gute Leute und zweitens nehmen wir uns die Zeit, sie gut einzuarbeiten.“ Dadurch konnte Swabian Instruments finanzielle Rücklagen bilden, was sich jetzt in der Corona-Zeit positiv auszahlt.