„Mit dem Tag der Forschung würdigen wir die Leistungen der Forscherinnen und Forscher“, sagte Prof. Manfred Bischoff, Prorektor Forschung und wissenschaftlicher Nachwuchs: „Täglich leisten sie sehr viel – und manchmal gelingt Herausragendes. Darüber wollen wir heute reden.“ Es sei beeindruckend, wie breit die Forschung an der Universität Stuttgart aufgestellt sei. Wichtig sei, dass wir uns gegenseitig darüber informieren und die Ergebnisse sichtbar machen. Der wissenschaftliche Nachwuchs, betonte Bischoff, packe die großen Herausforderungen an. Die Universität Stuttgart hat eigens Förderprogramme entwickelt, wie etwa Terra incognita für Forschungsthemen, mit denen Neuland betreten wird, oder Una Terra, das gezielt nachhaltige Projekte fördert.
Für die Zuhörerinnen und Zuhörer war der Abend ein spannender Ausflug in die vielfältige Welt der Forschung an der Universität Stuttgart. In einem kurzem Science Slam stellten die Preisträgerinnen und Preisträger so verständlich wie möglich dar, um was es in ihrer, mit einem Preisgeld von 2500 Euro gewürdigten Publikation, geht.
Gesundheit und Sicherheit
Wer würde beim Maschinenbau an Corona denken? Die Regelungstechniker schon. Kurz nach dem Ausbruch der Pandemie nahmen sie sich der Analyse und Kontrolle von dynamischen Systemen an und entwickelten ein Modell, das nun allgemein für die Strategieentwicklung bei Pandemien nutzbar ist, wie Julian Berberich vom Institut für Systemtheorie und Regelungstechnik erklärte.
Der Gesundheit des Menschen kommt auch die Forschung von Dr. Ismael Sánchez-González zugute, der 2020 am Institut für Zellbiologie und Immunologie promovierte. Er hat der „schlechten Kommunikation“ zwischen Makrophagen und Krebszellen den Kampf angesagt. Das wichtige Ziel: Die Zellen des Immunsystems sollen nicht mehr als Handlanger des Tumors fungieren.
Für die Fakultät 5 präsentierte Dr. Daniel Rausch, Postdoc am Institut für Informationssicherheit, am Beispiel der E-Mail-Kommunikation zwischen Krümelmonster und seiner Großmutter, dass es auch in vermeintlich sicheren Internetverbindungen Schwachstellen gibt. Und er stellte vor, wie sich mit dem Modell der „Inexhaustible Interactive Turing Machine“ komplexe Sicherheitsprotokolle auf ihre Sicherheit hin testen lassen.
Einfach mal staunen
Ein besonderes Exemplar interdisziplinärer Arbeit stellte Dr. Renate Sachse im Video vor. Die Preisträgerin, die an der Fakultät 2 für Bau- und Umweltwissenschaften promoviert hat und nun an der TU München arbeitet, konnte leider nicht persönlich nach Vaihingen kommen. Zusammen mit Biolog*innen hatte sich die Bauingenieurin dem Schnappmechanismus der Venus-Fliegenfalle angenommen. „Biologische Bewegungen sind sehr interessant, da sie äußerst effizient sind“, erklärte Sachse, die bei ihrer Forschung entdeckte, dass die schnelle Schnappbewegung der Pflanze durch eine Vorspannung ermöglicht wird.
„Das können nur wir“, sagte Prof. Harald Gießen über eine neue Art von Mikroskopie, die am 4. Physikalischen Institut entwickelt wird. All das, was in Nanometerbereich zu klein geraten ist, um von einem Lichtmikroskop noch aufgelöst werden zu können, soll diese neue Technik, die auf magnetische „Wirbelstürme“, sogenannte Skyrmionen, setzt, sichtbar machen. In der Zukunft ließen sich so etwa Proteine bei ihrer Arbeit in der Zelle beobachten.
GNSS steht für Globales Navigations-Satelliten-System und damit für ein System, das verschiedenste Satellitensysteme zusammenfügt und vor allem für die globale Positionsbestimmung genutzt wird. Dass die Strahlen, die von den Satelliten auf die Erde treffen, aber auch anderes können, nämlich in der Meteorologie zu Daten in Echtzeit verhelfen und somit Wettervorhersagen verbessern, führte Prof. Thomas Hobiger vom Institut für Navigation aus.
Schöne Bücher, reden mit den Händen und mehr
Ryan Kelly hat sich in seiner Masterarbeit am Institut für Volkswirtschaftslehre und Recht dem Smart Meter angenommen. Dem Publikum beim Forschungstag brachte er dieses intelligente Energiesystem der Zukunft als intelligentes Kleinkind nahe, das von Mutter Europäische Union und Vater Staat in die Regierungsfamilie eingebracht werden will – und mit so manchem Gegenwind zu kämpfen hat.
Preisträger Dr. Stefan Naumann vom Institut für Polymerchemie wurde für seine Entwicklung eines neuen dual-katalytischen Ansatzes zur Herstellung von bioabbaubaren Polymeren vom Polyethylenglykol ausgezeichnet. Prof. Cosima Stubenrauch, die Dekanin der Fakultät Chemie, hob in der Laudatio die hohe innovative Leistung des jüngst Habilitierten hervor.
Dr. Fabian Bross hat es speziell jene Variante der Gebärdensprache angetan, die in Süddeutschland gesprochen wird. Ihren Aufbau hat der Linguist zu seinem Forschungsgegenstand gemacht. Der Dekan der Fakultät 9, Prof. Daniel Hole, betone in seiner Laudatio die gelungene Zusammenarbeit mit der lokalen Community der Gehörlosen.
Prof. Klaus Jan Philipp vom Institut für Architekturgeschichte wurde für seine Monographie zu Architekturzeichnungen gewürdigt. In dem ästhetisch ansprechenden und reich bebilderten Band fragt Philipp nach dem Potential von Architekturzeichnungen seit dem Mittelalter und in welcher Form die Zeichnungen architektonisches Wissen und gestalterische Visionen vermitteln.
Prima-Preis für prima Absolventinnen
Der mit 1000 Euro dotierte Prima-Preis würdigt herausragende Abschlussarbeiten von Absolventinnen der Universität. Ins Leben gerufen wurde er anlässlich des 100-jährigen Jubiläums des ersten Diplomabschlusses einer Frau – der Chemikerin Nora Kräutle – an der Technischen Hochschule Stuttgart. In diesem Jahr erhielten zwei Wissenschaftlerinnen aus der Fakultät 8 den Preis: Annika Belz, deren Masterarbeit in Physik als hervorragende, eigenständige Arbeit eines Ausnahmetalents bezeichnet wurde, und Jessica Renz, deren Masterarbeit in Mathematik besonders aufgrund der interdisziplinären Zusammenarbeit mit der Biologie und dem umfangreichen Themenspektrum gelobt wurde.
Bevor der Forschungstag im Campus Beach seinen Ausklang fand, ließ Prof. Astrid Ley vom Lehrstuhl internationaler Städtebau im Verlauf ihres Festvortrags „Die transformative Kraft der Städte – Urbanisierung als Herausforderung und Chance begreifen“ die Zuhörenden nochmals aufhorchen. Während Berlin pro Stunde um einen Einwohner wachse, seien es in Kinshasa der größten Stadt in Afrika, 60 neue Erdenbürger – am Tag 14.400! Besonders in Asien und Afrika sei der Urbanisierungsschub in vollem Gange, berichtet die Architektin, und deshalb würden innovative Ideen dringend benötigt.