Zehn Publikationspreise und zwei Prima!Preise

Tag der Forschung 2024

Auch am diesjährigen, sechsten Tag der Forschung ehrte die Universität Stuttgart wieder zehn Wissenschaftler*innen für ihre herausragenden Publikationen. Bei der Veranstaltung am 26. Juni wurde neben den Publikationspreisen auch der Prima!Preis erneut vergeben. Er würdigt besonders gelungene Abschlussarbeiten von Frauen.
[Foto: Gabriel Parsyak]

„Ich freue mich, dass wir auch dieses Jahr am Tag der Forschung wieder herausragende Leistungen aus allen zehn Fakultäten mit dem Publikationspreis auszeichnen können“, sagte Prof. Manfred Bischoff, Prorektor Forschung und wissenschaftlicher Nachwuchs der Universität Stuttgart in seiner Begrüßung. Die mit je 2.500 Euro dotierten Preise zeigten die ganze Vielfalt der Universität Stuttgart und seien ein wichtiges Instrument, um Forschung sichtbar zu machen und Forscher*innen – insbesondere auch den wissenschaftlichen Nachwuchs – zu würdigen. 

Spannende Forschung hoch zehn: Die Publikationspreise des Jahres 2024

Prof. Manfred Bischoff, Prorektor Forschung und wissenschaftlicher Nachwuchs der Universität Stuttgart, gratuliert dem Preisträger Dr. Franz Arlart.

Fakultät 1, Dr. Franz Arlart: Über die Magie von Tankstellen

Mit dem „Bautypus Tankstelle und dem Wandel seiner Symbolhaftigkeit“ hat sich Dr. Franz Arlart beschäftigt. Der inzwischen als freier Architekt tätige Preisträger promovierte am Institut für Industriebau, Entwerfen und Konstruieren. Seine Arbeit widmet sich einem gut hundert Jahre alten „magischen Ort“ der Begegnung, an dem es neben Benzin viele andere Dinge gibt und der symbolisch auch für Freiheit steht. Stand 1920 noch die Pionieraufgabe an, überhaupt erst einmal eine Tankstelle zu entwerfen, entwickelte sich diese in den 1950er-Jahren zum Symbol der Moderne, um zwanzig Jahre später zum eher zweckmäßigen Bauwerk zu werden. Heute stehe die Tankstelle sozusagen unter elektrischer Spannung und an einem weiteren spannenden Wendepunkt, so Alart.

Franz Arlart: Die Tankstelle. Ein Bautypus im Wandel seiner Symbolhaftigkeit, Berlin 2023: jovis Verlag

Fakultät 2, Dr. Kilian Mouris: Stauseen auf den Grund gegangen

Dr. Kilian Mouris will mit seiner Arbeit Stauseen fit für den Klimawandel machen.

Der Klimawandel geht mit großen Herausforderungen einher. Stauseen rücken in den Fokus, um den Wassermangel in Extremsituationen auszugleichen. Diese können ihrer Funktion jedoch oft nicht mehr in vollem Umfang nachkommen. Der Grund, so Dr. Kilian Mouris: Es hat sich zu viel Sediment angesammelt. Am Institut für Wasser und Umweltsystemtechnik hat sich Mouris, der inzwischen bei der Bundesanstalt für Wasserbau arbeitet, dieser Thematik angenommen. Seine Arbeit stellt eine interdisziplinäre Modellkette vor, die es ermöglicht, Ablagerungsmuster zu erkennen, die Schwebstofffracht vorauszusagen und somit ein gutes Sedimentmanagement in Stauseen zu betreiben.

Kilian Mouris, Sebastian Schwindt, María Herminia Pesci, Silke Wieprecht, and Stefan Haun: An interdisciplinary model chain quantifies the footprint of global change on reservoir sedimentation, Scientific Reports (2023) 13:20160.

Fakultät 3, Dr. Lorenzo Tesi: Quantensprünge dank interdisziplinärer Zusammenarbeit

Dr. Lorenzo Tesi (Mitte), Co-Autor Prof. Joris van Slageren und Prof. Manfred Bischoff, Prorektor Forschung und wissenschaftlicher Nachwuchs der Universität Stuttgart.

Dr. Lorenzo Tesi vom Institut für Physikalische Chemie bewegt sich mit seiner Forschung an der Schwelle zur zweiten Quantenrevolution und arbeitet dabei konsequent interdisziplinär. Seine Arbeit zur Quantentechnologie publizierte der Emmy Noether-Preisträger zusammen mit Physikochemikern, Polymerchemikerinnen und einem Oberflächenexperten. Das Team entwickelte eine Bottom-up-Methode, mittels derer sich molekulare Qubits auf Oberflächen als funktionale Gruppen selbstorganisierter Monoschichten anordnen lassen. Molekulare Qubits gelten als Forschungsfeld mit viel Zukunftspotential: Sie könnten zukünftig die Grundbausteine für extrem leistungsfähige Quantencomputer bilden oder als höchstempfindliche Sensoren eingesetzt werden.

Lorenzo Tesi, Friedrich Stemmler, Mario Winkler, Sherri S. Y. Liu, Saunak Das, Xiuming Sun, Michael Zharnikov, Sabine Ludwigs, Joris van Slageren: Modular Approach to Creating Functionalized Surface Arrays of Molecular Qubits, Advanced Materials, 35, 2208998 (2023)

Fakultät 4, Johannes Rittmann: Scharfe Sicht auf Materialfehler

Forscht zu berührungslosen Prüfverfahren: Johannes Rittmann.

Man muss Dinge auf der Suche nach möglichen Schäden nicht zerstören. Denn es gibt berührungslose Prüfverfahren, wie etwa die aktive Thermografie. Das Problem jedoch: Die bei der Methode eingesetzten Wärmewellen sind verlustbehaftet und das Bild, das sich bei der Untersuchung ergibt, ist oftmals unscharf. Johannes Rittmann hat mit seiner Arbeit am Institut für Kunststofftechnik für Abhilfe gesorgt. Bei seinem Vortrag „Scharf sehen dank Thermografie Brille“ erläuterte Rittmann, wie er das Problem mittels der Lock-in-Thermografie-Messung angegangen ist und die Effizienz der Merkmalserkennung erhöhen konnte.

Johannes Rittmann and Marc Kreutzbruck: Lateral heat flux reduction using a lock‑in thermography compensation method, in: Scientific Reports (2023) 13:17093

Fakultät 5, Philipp Ziegler: Kompakter Stromsensor

Philipp Ziegler verbesserte Stromsensoren. Den Preis nahm stellvertretend für ihn Co-Autor Dr. Manuel Fischer entgegen.

Handy oder E-Auto - heute funktioniert so gut wie nichts ohne Strom. Aktuell kommen magnetfeldbasierte Stromsensoren mit großen Abmessungen daher, wenn es um hohe Stromwerte geht. Das muss auch kleiner gehen, dachte sich Philipp Ziegler. Am Institut für Leistungselektronik und elektrische Antriebe entwickelte er einen neuartigen kompakten Stromsensor, der – ohne elektrische Trägheit – einen schnellen Stromaufbau ermöglicht und zugleich über eine große Bandbreite verfügt.

Philipp Ziegler, Yiru Zhao, Jörg Haarer, Johannes Ruthardt, Manuel Fischer, and Jörg Roth-Stielow: Compact Design of a Wide Bandwidth High Current Sensor Using Tilted Magnetic Field Sensors, IEEE Transactions on Industry Applications, Vol. 59, No. 6, November/December 2023.

Fakultät 6, Eric Price: Luftschiffe im Einsatz für den Tierschutz

Eric Price erklärt, wie Luftfahrttechnik zur Erhaltung bedrohter Tierarten beitragen kann.

Eric Price setzt sich mit seiner Arbeit für die Tierwelt ein: Eine Herausforderung für den Erhalt der Artenvielfalt ist der Schutz gefährdeter Kulturflüchter.  Um aus ihrem Verhalten Rückschlüsse für ihren Schutz ziehen zu können, muss man sie beobachten. Doch wie ist so eine Bewegungserfassung möglich? Der Informatiker Eric Price hat am Institut für Flugmechanik und Flugregulierung ein Überwachungssystem erarbeitet, das auf den Einsatz von so genannten Blimps setzt. Diese leichten Luftschiffe haben eine lange Flugdauer und sind besonders leise. Mit einer Kamera ausgestattet können sie viele Informationen einholen, ohne die Tiere zu stören. Je drei Blimps nehmen ein Tier in den Fokus. Damit ihr gemeinsamer, vollautomatischer Flug gelingt, ist ausgefeilte Regelungstechnik gefragt.

Eric Price, Michael J. Black, and Aamir Ahmad (2023): Viewpoint-Driven Formation Control of Airships for Cooperative Target Tracking, IEEE Robotics and Automation Letters (IEEE RAL), Vol. 8, No. 6, pp. 3653–3660.

Fakultät 7, Florian Bienert: Laserschwerter – von der Realität weit entfernt

Florian Bienert untersucht die Eigenschaften von Laserstrahlen.

Wer kennt sie nicht, die Laserschwerter aus den Filmen von George Lucas. Der grandiose Filmemacher hatte allerdings keinen Schimmer von Laserlicht. Florian Bienert weiß es, denn Laserstrahlen haben eine Kaustik, das heißt sie  laufen auseinander. Zudem laufen sie unendlich und durchdringen sich., Am Institut für Strahlwerkzeuge hat der Preisträger zwei sich kreuzende Laserstrahlen genau untersucht und ein Modell erstellt, mit dem die Interferenz errechnet werden kann. Mit seiner Arbeit leistet er einen Beitrag zur Entwicklung universeller Lasermaschinen.

Florian Bienert, Thomas Graf, and Marwan Abdou Ahmed: General mathematical model for the period chirp in interference lithography, Optics Express Vol. 31, No. 4 (2023), pp. 5334-5346.

Fakultät 8, Prof. Dr. Andreas Kollross: Geodätische Untermannigfaltigkeiten

Prof. Andreas Kollross (rechts) freut sich über seinen Publikationspreis. Prof. Manfred Bischoff, Prorektor Forschung und wissenschaftlicher Nachwuchs, gratuliert.

Prof. Andreas Kollross vom Institut für Geometrie und Topologie taucht in seiner preisgekrönten Arbeit tief ein in ein Spezialgebiet der Mathematik: Die Topologie beschäftigt sich mit der Lage und Anordnung geometrischer Gebilde im Raum. Kolross untersucht die „Klassifizierung maximal geodätischer Untermannigfaltigkeiten in außergewöhnlichen symmetrischen Räumen bis zur Isometrie“.

Andreas Kollross and Alberto Rodríguez-Vázquez: Totally geodesic submanifolds in exceptional symmetric spaces, Advances in Mathematics Volume 418, 2023, 108949.

Fakultät 9, Dr. Sidharth Ranjan: Wie gesprochene Sätze entstehen

Dr. Sidharth Ranjan (2 v.l.) gemeinsam mit Prof. Dr. Daniel Hole, Dekan der Fakultät 9, Co-Autor Jun.-Prof. Titus von der Malsburg und Prof. Manfred Bischoff, Prorektor Forschung und wissenschaftlicher Nachwuchs.

Am Institut für Linguistik hat sich Dr. Sidharth Ranjan eines Themas angenommen, das umso spannender wird, je länger man darüber nachdenkt: Wie werden im Verlauf einer Kommunikation die Sätze gebildet, wie die Wortfolge festgelegt? Ranjan ging diesen Fragen auf der Grundlage des Hindi nach und gibt Antworten darauf im Rahmen seiner Arbeit: „A bounded rationality account of dependency length minimization“.

Sidharth Ranjan and Titus von der Malsburg (2023): A bounded rationality account of dependency length minimization in Hindi, in: Proceedings of the 45th Annual Meeting of the Cognitive Science Society, Sidney, Australia. Cognitive Science Society.“

Fakultät 10, Dr. Franziska Maier: Partizipation treibt Reformen nicht unbedingt voran

Dr. Franziska Maier nimmt Glückwünsche von Prof. Dr. Michael-Jörg Oesterle, Dekan der Fakultät 10, entgegen.

Führen Deliberation und Partizipation bei Entscheidungsprozessen immer zu progressiven Ergebnissen? Dr. Franziska Maier ging zusammen mit Prof. Dr. André Bächtiger am Institut für Sozialwissenschaften dieser Frage nach. Die Untersuchung kommt zu dem überraschenden Ergebnis, dass partizipative Praktiken keineswegs automatisch progressive Reformen vorantreiben. Bei den rund 300 deutschen Staatsbürger*innen, die sich im Rahmen eines Experiments zu den politischen Rechten von Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit austauschten, zeigten sich anfänglich Skeptische nach dem Austausch in ihrer Haltung bestärkt. Wichtig sei es, dass politische Rechte mit Pflichten verbunden sind, hob Maier hervor.

Franziska Maier and André Bächtiger: Reflecting on the boundaries of the demos: A virtual deliberative experiment with German citizens”, European Journal of Political Research 63 (2), 2023.

Zweimal Prima! Leistung aus Fakultät 10

Laudatorin Dr. Graziella Lamanna (links), Gleichstellungsbeauftragte der Universität Stuttgart, mit den beiden Preisträgerinnen des Prima!Preis, Demet Cosmann und Ann-Kathrin Kapfenstein.

Am Tag der Forschung wurde auch der Prima!Preis wieder vergeben – in diesem Jahr sogar gleich zweimal: Demet Cosmann und Ann-Kathrin Kapfenstein wurden für ihre Masterarbeiten an der Fakultät 10 ausgezeichnet. Der mit 1000 Euro dotierte Prima!Preis würdigt herausragende Abschlussarbeiten von Absolventinnen der Universität. Er wurde ins Leben gerufen, um Frauenkarrieren in der Wissenschaft von Beginn an zu fördern und sichtbar zu machen. Den zwei Preisträgerinnenbescheinigte Dr. Graziella Lamanna, die Gleichstellungsbeauftragte der Universität Stuttgart, ein hohes Maß an Engagement und wissenschaftlicher Qualität. Demet Cosmann hat sich in ihrer Arbeit der Binnendifferenzierung am Gymnasium unter dem Aspekt der Heterogenität angenommen. Inspiriert wurde sie dabei durch eigene Erfahrungen. „Man muss allen Kindern gerecht werden“, und „Unterschiede bereichern“, betonte die Preisträgerin, die die Lernbedingungen und den Unterricht verbessern möchte. Ann-Kathrin Kapfenstein beschäftigte sich mit dem „Growth Mindset Feedback“ – einer Methode, die auf Lob und eine positive Fehlerkultur setzt, um Lernende in ihrer Entwicklung zu fördern.

 

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