Auf dem Weg zu nachhaltigen Rechenzentren

17. März 2020, Nr. 20

Konsortium unter Führung der Universität Stuttgart stellt Handlungsempfehlungen zur Senkung des Energie- und Rohstoffverbrauchs vor

Ob Firmen, Kommunen oder Hochschulen: Zu fast jeder größeren Einheit in Deutschland gehört auch ein Rechenzentrum. Doch die „Herzkammern“ der digitalen Infrastruktur verbrauchen Jahr um Jahr mehr Energie und Rohstoffe. Wie man Rechenzentren nachhaltiger machen kann, untersuchte ein Konsortium aus Forschung, Industrie und Wirtschaft unter der Leitung des Instituts für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung (IER) der Universität Stuttgart. Im Rahmen eines Thementages beim Projektpartner Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung (ZSW) in Stuttgart wurden die Ergebnisse vorgestellt.

Im Rahmen des auf drei Jahre angelegten, durch das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg geförderten Forschungsprojekts „EcoRZ“ nahm das Konsortium Rechenzentren in Baden-Württemberg unter die Lupe, erfasste den Stand der Infrastruktur und ermittelte Potentiale zur Steigerung der Energieeffizienz, des Einsatzes Erneuerbarer Energien und des sparsamen Rohstoffeinsatzes. Zudem wurden die möglichen Beiträge von Rechenzentren zur Flexibilisierung des Energiesystems analysiert und Indikatoren für die ökologische, soziale und wirtschaftliche Bewertung der Nachhaltigkeit von Rechenzentren entwickelt.

In seiner Eröffnungsrede des Thementags begrüßte der Ministerialdirektor im Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg, Helmfried Meinel, dass das Forschungskonsortium Beispiele aufzeigt, wie eine nachhaltige digitale Transformation gelingen kann: „Nachhaltige Rechenzentren können damit zukünftig vielleicht sogar zu einem Leuchtturm der Digitalisierung in Baden-Württemberg werden“, so Meinel.   „Dass Rechenzentren auf erneuerbare Energien setzen, ist wichtig, aber es reicht nicht aus“, resümiert Studienleiter Prof. Peter Radgen vom IER der Universität Stuttgart die Ergebnisse der Studie. Stattdessen fordern die Forschenden ein Bündel weiterer Maßnahmen, bei denen Planer, Betreiber und die Politik zielgerichtet kooperieren sollten. Bisher werden Entscheidungen meist nur unter Berücksichtigung einer Perspektive getroffen. „Kommunikation und Austausch sollten stärker gefördert werden“, so Radgen.

 

v. l.: Ministerialdirektor Helmfried Meinel (Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg), Dr. Simone Rehm (Prorektorin für Informationstechnologie der Universität Stuttgart), Prof. Dr. Peter Radgen (IER der Universität Stuttgart).

Da Rechenzentren jedes Kilowatt an verbrauchtem Strom als Wärme wieder in die Umwelt abgeben, kommt der Nutzung der Abwärme auf dem Weg zum nachhaltigen Rechenzentrum eine Schlüsselrolle zu. Diese sollte, so die Empfehlung der Forschenden, verstärkt in die kommunale Wärmeplanung integriert werden, zum Beispiel zur Bereitstellung von CO2-neutraler Abwärme für Nahwärmenetze.

Auf Seiten der Betreiber sei es wichtig, dass sie bei der Hardware konsequent auf Nachhaltigkeit achten. Dies umfasst nicht nur den Einsatz erneuerbarer Energien, sondern auch die Materialien und Rohstoffe über die gesamte Produktionskette hinweg, also zum Beispiel einen ressourcensparenden Umgang mit seltenen Erden. Sinnvoll sei es, Nachhaltigkeit in den Leitlinien für die IT-Beschaffung zu verankern.

Großräumiges Denken erforderlich

Auch die Wahl des Standorts kann dazu beitragen, Rechenzentren umweltfreundlicher zu machen: Geeignet sind Regionen mit vergleichsweise niedrigen Durchschnittstemperaturen, da dort der Energiebedarf für Kühlung geringer ist – also eher Alb statt Rheingraben. Sehr wichtig sei es, Rechenzentren zu konsolidieren, da sich die höheren Investitionen für energieeffiziente Ausrüstung und Abwärmenutzung bei größeren Rechenzentren eher amortisieren. Daher sei es sinnvoll, die Firmen zu motivieren, in landesweiten Strukturen zu denken und für das Rechenzentrum auch Standorte abseits des Firmensitzes in Betracht zu ziehen.

Voraussetzung dafür ist allerdings eine gut ausgebaute Infrastruktur, insbesondere im Bereich schneller und leistungsfähiger Breitband-Anschlüsse. „Hier kann das Land Baden-Württemberg koordinierend und moderierend wirken“, so Radgen. Ziel sei es, Baden-Württemberg als Standort für Rechenzentren attraktiv zu machen und so weitere Zentren im Land ansiedeln zu können. Die Prorektorin für Informationstechnologie (CIO) der Universität Stuttgart betonte im Rahmen des Workshops: „Die Hochschulen im Land leisten einen wichtigen Beitrag für die Nachhaltige Entwicklung, indem sie das erforderliche gut ausgebildete Fachpersonal bereitstellen.“ Sie wies dabei auch auf die Herausforderungen für die Universität bei der nachhaltigen Entwicklung des eigenen Campus hin.

Die Ergebnisse des Forschungsprojektes werden zudem für einen „Leitfaden Nachhaltige Rechenzentren“ aufbereitet. Betreiber von Rechenzentren finden darin Impulse für wirtschaftliche Verbesserungen, politische Entscheidungsträger eine Grundlage für Förder- und Anreizprogramme. Die Druckfassung des Leitfadens wird im April verfügbar sein und zusätzlich auf der Projektwebseite www.nachhaltige–rechenzentren.de zum Download zur Verfügung stehen.

Am Verbundforschungsvorhaben waren neben dem IER der Universität Stuttgart die Universität Ulm, das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW), die Hochschule für Technik Stuttgart (HFT) sowie die Unternehmen ITEOS A.ö.R, ICT-Facilities GmbH und Ökomedia GmbH beteiligt.

Fachlicher Kontakt:

Prof. Peter Radgen, Universität Stuttgart, Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energienutzung (IER), Lehrstuhl für Energieeffizienz, Tel. +49 (0)711/685-87877, E-Mail 

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