Projekt AIMM mit Beteiligung der Universität Stuttgart entwickelt automatisierte und datengetriebene Methoden der Materialmodellierung

KI für die Werkstoffmodellierung

15. Februar 2021, Nr. 11

Projekt AIMM mit Beteiligung der Universität Stuttgart entwickelt automatisierte und datengetriebene Methoden der Materialmodellierung
[Bild: Universität Stuttgart/IFB]

Leichtbauteile, zum Beispiel aus neuartigen Stahllegierungen oder Kunststoffen, sind ein Schlüssel zu energieeffizienten und emissionsarmen Fahrzeugen. Für ihre Entwicklung sind zuverlässige und präzise Simulationsmethoden von fundamentaler Bedeutung. Die Übertragung vorhandener Materialmodelle auf die neuen, komplexen Werkstoffe erfordert jedoch viel Erfahrung und Zeit. Um die Berechnungen zu beschleunigen, setzt das neue Forschungsprojekt AIMM (Artificial Intelligence for Material Models) jetzt auf die Methoden des Maschinellen Lernens. Seitens der Universität Stuttgart sind die Institute für Flugzeugbau (IFB) und für Umformtechnik (IFU) beteiligt.

Um herauszufinden, ob ein Auto oder Flugzeug einen Crash übersteht, wird das Verhalten der verwendeten Materialien wie Metalle und Kunststoffe in Computersimulationen unter verschiedenen Bedingungen evaluiert. Dies geschieht mittels Computerprogrammen, in die oft mehrere hundert Modelle zur Beschreibung des Verhaltens der verschiedensten Materialien integriert sind. Möchte man nun ein neues Material verwenden, wird eines der bestehenden Modelle auf die neuen Daten angepasst. Es erfordert jedoch sehr viel Erfahrung, dabei das richtige Modell auszuwählen und die zugrundeliegenden Gleichungen gegebenenfalls weiterzuentwickeln. „Das ist sehr zeitintensiv“, erklärt Daniel Sommer vom IFB, der das Projekt an der Universität Stuttgart leitet. „In der Industrie soll ein neues Material aber sehr schnell in ein Modell und damit letztendlich in die Produktion.“

Um den Prozess zu beschleunigen, wollen die Projektpartner die klassische modellbasierte Werkstoffbeschreibung durch eine alternative, datengetriebene Materialmodellierung ergänzen oder ersetzen. Statt Gleichungen sollen künftig Methoden des Maschinellen Lernens die Modelle trainieren, so dass diese aus den bestehenden Modellen lernen, wie sich ein Material verhält und sich quasi von selbst kalibrieren.

Schwerpunkt am IFB: Kunststoffe

Hierbei erstellt das IFB vorrangig die Prozesskette einer Methodik zur Beschreibung von Kunststoffen mittels Maschinellem Lernen (ML) in der Simulation, wobei der Fokus auf die Entwicklung und Validierung der ML-Modelle für Kunststoff gerichtet ist. Dazu bringt das Institut bekannte Grundlagen wie die klassische Materialcharakterisierung und -modellierung ein. Ein wichtiger Baustein ist auch die Automatisierung der Prüftechnik zur Generierung reeller Trainingsdaten für Kunststoffe, welche durch optimierte Charakterisierungsversuche die Lernerfahrung der künstlichen Intelligenz darstellen. Hierzu werden kollaborative Robotersysteme mit modernster Messtechnik verknüpft und die Daten für das maschinelle Lernen bereitgestellt.

„Die intelligente Erweiterung der Materialmodellierung im rechnergestützten Engineering (CAE) durch den Einsatz von Maschinellem Lernen, vor allem in der Kombination mit automatisierter Prüftechnik für die reale Lernerfahrung, ist Herausforderung und Chance zugleich“, so der Leiter des IFB, Prof. Peter Middendorf. „Durch die Expertise in der Materialbeschreibung am IFB und unsere ersten Anwendungen von künstlicher Intelligenz in CAE und Messtechnik soll der zeit- und kostenintensive Prozess nun durch die in AIMM angestrebte Vorgehensweise ersetzt werden. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit in diesem hochkarätig besetzten Konsortium.“

Schwerpunkt am IFU: Metalle

Auch Prof. Mathias Liewald, der Leiter des Instituts für Umformtechnik der Universität Stuttgart, freut sich auf das ambitionierte Projekt mit den auf dem Gebiet der Materialcharakterisierung führenden Instituten an mehreren Universitäten im Bundesgebiet, Unternehmen der Softwarebranche, Zulieferern und dem Konsortialführer Mercedes-Benz. Das IFU wird das Umformverhalten von Metallen zunächst klassisch charakterisieren und modellieren. Es werden anschließend simulative Trainingsdaten über das Umformverhalten erhoben und die Schnittstelle zwischen Simulationen und ML-Trainingsalgorithmen validiert sowie neue Charakterisierungsversuche zum Umformverhalten speziell für ML-Modelle konzipiert. 

„Im Projekt zielt unser Ansatz darauf ab, das Materialverhalten von Stählen und Kunststoffen für Fragestellungen in der Umform- und Crash-Simulation bzw. der belastungsgerechten Auslegung von zukünftigen Karosseriekomponenten mit neuartigen und ambitionierten Methoden der Künstlichen Intelligenz deutlich zu vereinfachen und zu beschleunigen“, sagt Liewald.

Über das Konsortium AIMM

An AIMM beteiligen sich neben den Instituten für Flugzeugbau und für Umformtechnik der Universität Stuttgart auch das Ernst-Mach-Institut der Fraunhofer Gesellschaft sowie das Institut für Softwaretechnik und Theoretische Informatik der Technischen Universität Berlin. Auf Industrieseite sind die Mercedes-Benz AG (Konsortialführer) sowie die Firmen ElringKlinger, GOM, Renumics und Dynamore beteiligt. AIMM wird durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWI) mit 2,9 Millionen Euro gefördert, davon geht rund 1 Million an die Institute der Universität Stuttgart.

Fachlicher Kontakt:

Daniel Sommer, Universität Stuttgart, Institut für Flugzeugbau, Tel.: +49 711 685-69571, E-Mail 

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