Vier Corona-Semester sind ins Land gezogen und die Hochschulen, ihr Personal und ihre Studierenden erholen sich erst langsam – und hoffentlich noch länger – von den Strapazen, denen die Pandemie sie aussetzte. Gleichzeitig ist allen bewusst, welch große Anstrengungen unternommen wurden, um das Funktionieren des Uni-Betriebs in dieser Zeit aufrechtzuerhalten. Die Umstellung von Präsenz- auf digitale Formate wird dabei oft an erster Stelle genannt, da sie ein ganzes System revolutionierte. Eine ebenfalls enorme Herausforderung und Leistung war jedoch zweifelsohne die Durchführung von Präsenzprüfungen. Auf diese sei hier ein Licht geworfen.
Bereits zu Anfang der Pandemie und allen Lockdowns zum Trotz war es die Aufgabe der Hochschulen, so auch die Universität Stuttgart, Prüfungen vor Ort ermöglichen, um die Karrieren der ihnen anvertrauten Studierenden und Promovierenden nicht zu blockieren.
Lässt sich der dafür betriebene Mehraufwand auch in Zahlen abbilden? Die Antwort muss wohl lauten, nur schwerlich, denn die Wechselwirkungen und die Komplexität der Anforderungen und des Systems Universität sind zu groß. Wir versuchen eine Annäherung, in dem wir einen Blick auf die zurückliegenden vier Corona-Semester Sommersemester 2020, Wintersemester 2020/21, Sommersemester 2021 und Wintersemester 2021/22 werfen und uns auf ein entscheidendes Nadelöhr konzentrieren: die Bereitstellung von Raum.
Raum und Zeit
Zwei Parameter sind entscheidend, um die mit den Prüfungsterminen verbundenen Herausforderungen erfassen zu können: der Verteiler- bzw. Raumbelegungsschlüssel sowie die terminliche Verfügbarkeit der Räume.
Der Verteilerschlüssel respektive Raumbelegungsschlüssel besagt, wie stark ein Raum belegt werden darf: In „normalen“ Zeiten liegt er für Prüfungssituationen bei etwa 1:6, das heißt, ein*e Prüfungsteilnehmer*in benötigt, um „Abgucken“ zu verhindern, sechs Plätze. Während der Pandemie-Beschränkungen hingegen lag dieser Schlüssel aufgrund der Hygiene- und Abstandsvorschriften bei 1:10, auf eine Person entfielen zehn Plätze. Der Raumbedarf wuchs also allein aufgrund des Verteilerschlüssels auf 166 Prozent an.
Gleichzeitig verschlechterte sich die Raumverfügbarkeit. Denn aufgrund der längeren Reinigungs- und Desinfektionsintervalle zwischen den Prüfungen konnten die Hörsäle seltener genutzt werden, nämlich täglich an nur drei Terminen anstatt an vier. Dem um 66 Prozent gesteigerten Raumbedarf stand hier also ein um 25 Prozent geschrumpftes Korsett an Terminoptionen gegenüber.
Welches Delta sich aus dem Mehrbedarf an Räumen bei gleichzeitigem Terminengpass ergab, lässt sich rechnerisch (und sprachlich) kaum noch darstellen, weil Raum- und Terminbedarf zu unterschiedliche Größen sind, um sie miteinander zu verrechnen. Wer es trotzdem versucht, gelangt wahrscheinlich auf eine Verdoppelung des Bedarfs – denn wenn 166 Prozent nur drei Viertel sind, dann liegt das Ganze bei mehr als 200 Prozent.
Diät oder neue Kleider?
Um stattdessen einen anschaulichen Vergleich zu ziehen, stelle man sich eine Person vor, die ihr Körpergewicht von 50 Kilo – bei einer willkürlich angenommenen Konfektionsgröße von 38 – auf 83 Kilo steigert, der man dann aber Kleidung in Konfektionsgröße 34 zum Anziehen anbietet. Es leuchtet ein, dass bei der Ankleide entweder die Kleidung oder aber der Körper der Person oder im Zweifelsfalle beides Schaden nähme.
Entsprechend mussten die Uni-Leitung und die vielen involvierten Mitarbeiter*innen – deren Anzahl jedoch leider nicht um 66 Prozent stieg – alles unternehmen, um ein „Aus-allen-Nähten-Platzen“ zu verhindern. Und es gelang: In einem erheblichen Kraftakt mieteten sie zahlreiche externe Räumlichkeiten hinzu und verlegten große Prüfungen teils in die Abendstunden und auf Samstage. Oder, um im Bild zu bleiben: Eine Diät schied aus, stattdessen wurden neue Stoffe besorgt, interne und externe Schneider und Schneiderinnen herbeigerufen und das Maßnehmen, Zuschneiden und Nähen, manchmal mit heißer Nadel, begann.
Zahlen, die sich sehen lassen
Summa summarum gelang es so, pro Corona-Semester rund 1.000 Prüfungen auf die Beine zu stellen. Eine leichte Steigerung gegenüber der Zeit vor Corona, die sich aber vermutlich darauf zurückführen lässt, dass alles, auch kleine Prüfungen, zentral gemeldet wurden.
Das entspricht durchschnittlich 30.000 Prüfungsteilnahmen pro Halbjahr. Zur Verdeutlichung: 30.000 Prüfungsteilnahmen lassen sich vorstellen als theoretisch beispielsweise jeweils anderthalb Teilnahmen von 20.000 Studierenden oder jeweils zwei Prüfungsteilnahmen von 15.000 Studierenden. Auch wenn dies absolut betrachtet 2000 Teilnahmen weniger als zuletzt vor Corona sind – im Verhältnis zur leicht rückläufigen Gesamt-Studierendenzahl haben sich die Prüfungsteilnahmen pro Kopf damit sogar leicht erhöht.
Allen, die dies ermöglicht haben, sagt die Universität Stuttgart: danke!
Quellen und weiterführende Informationen
- Dezernat 3 – Studium
- Studierendenstatistik