Bis zum vergangenen Jahr hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) nur
Projekte in der Grundlagenforschung gefördert. Drei Forschungsprojekte mit neuem
Charakter, sogenannte Transferbereiche, wurden 1996 in Deutschland
eingerichtet, allein zwei davon an der Universität Stuttgart. In einem TFB sollen
Wissenschaftler und Anwender im Zeitraum von maximal drei Jahren Ergebnisse der
Grundlagenforschung in die praktische Nutzung umsetzen, wobei die Arbeit mit dem Erreichen
von Prototypen endet. Finanzielle Mittel stellt die DFG nur der Forschungsinstitution zur
Verfügung, während das beteiligte Unternehmen seinen Anteil an einem Kooperationsprojekt
selbst finanziert.
Neues, hochspezifisches Wissen kann nur im
Anwendungskontext entstehen, sagte Prof. Wolfgang Frühwald, Präsident der DFG. An
der Erprobung dieses Konzeptes wolle sich die DFG mit den Transferbereichen beteiligen.
Obwohl Frühwald das Interesse am Technologietransfer als groß bezeichnete, habe es
bisher keinen Antragsboom gegeben. Zur Zeit lägen der DFG 14 weitere Anträge
für Transferbereiche vor. Bislang diene das Programm der Förderung der deutschen
Industrie. Über die mögliche Beteiligung von ausländischen Industriepartnern an den
Kooperationen müsse noch nachgedacht werden.
Forschung ist Voraussetzung für Technologietransfer
Forschung ist die Voraussetzung für den Technologietransfer, sagte der Rektor
der Universität Stuttgart, Prof. Dr.-Ing. Günter Pritschow, und Technologietransfer sei
ein wichtiger Weg für die Hochschulforschung, ihre Effizienz zu beweisen. Die
organisatorische Lage der Universitäten sei jedoch in einigen Punkten ungünstig für den
Wissenstransfer. So gebe es unter anderem für Professoren keine Vertragskompetenzen für
Außenbeziehungen, und auch der Zwang zur Veröffentlichung sei manchmal für
Innovationsbeziehungen hinderlich.
Wir müssen kommunikationsfähige Spezialisten
ausbilden, forderte Prof. Hans-Jürgen Warnecke, Präsident der
Fraunhofer-Gesellschaft. Auch Prof. Walter Kunerth vom Zentralvorstand der Siemens AG
nannte viel Kommunikation und ein gemeinsames Vokabular als Bedingungen für
erfolgreiche Kooperationen zwischen Wirtschaft und Forschung. Beide Partner müssen
übereinander Bescheid wissen und gegenseitig ihre Motive akzeptieren, so Kunerth.
Wissenschaftler und Industrie wüßten heute noch zu wenig voneinander. Um das zu ändern,
wünscht sich Kunerth einen verstärkten Personalaustausch.
Der beste Technologietransfer werde durch den Transfer von
Menschen erreicht, sagte auch Dr.-Ing. Mathias Kammüller von der Trumpf GmbH & Co.
Sein Unternehmen habe sehr gute Erfahrungen mit dem Technologietransfer jeder Art gemacht.
Er regte an, daß in Zukunft mehr Diplomarbeiten in Zusammenarbeit mit der Industrie
angefertigt werden sollten.
Sowohl Kunerth als auch Kammüller betonten, daß in der
Industrie der Zeitfaktor bei der Entwicklung neuer Produkte eine immer größere Rolle
spiele. Lange Promotionszeiten ließen sich damit schlecht vereinbaren, so Kammüller.
Häufig fehlt dann nämlich der notwendige Druck, um Höchstleistungen in kurzer
Zeit zu erbringen, wie es später in der Industrie immer notwendig ist.
Mehr Dynamik durch TFB
Während die Leistungen der Bundesrepublik Deutschland in der Grundlagenforschung
international anerkannt werden, ist die industrielle Umsetzung der Forschungsergebnisse
nach wie vor unbefriedigend , sagte der Staatssekretär im baden-württembergischen
Wissenschaftsministerium, Dr. Christoph Palmer. Allerdings unterschätze man in der
Wirtschaft zuweilen das wissenschaftlich-technologische Potential der Hochschulen. Alle
Redner waren sich darüber einig, daß durch TFB kurzfristig nicht viele neue
Arbeitsplätze entstehen würden. Allerdings könnten die TFB mehr Agilität und Dynamik
in die Prozesse bringen, die für den Arbeitsmarkt von Bedeutung seien, sagte Prof.
Engelbert Westkämper, Leiter des Instituts für Industrielle Fertigung und Fabrikbetrieb.
Die im Laufe des ersten Jahres im TFB 1 Die Montage im
flexiblen Produktionsbetrieb erarbeiteten Ergebnisse haben Forscher und Vertreter
der Industriepartner im Rahmen des Symposiums vorgestellt. Zu den in sechs Projekten
bearbeiteten Themen zählen Montageplanung und automatisierung, flexible Antriebssysteme,
Qualitätsmanagement und Prüftechnik, Markt- und Prozeßorientierung, Montageinseln sowie
Kostenmanagement und Logistik. Der TFB 1 ist aus dem gleichnamigen Sonderforschungsbereich
158 entstanden. /op
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Institut für Industrielle Fertigung und Fabrikbetrieb, Nobelstr. 12, 70569
Stuttgart, Tel. 0711/970-1204; Fax 0711/970-1399
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Nach Redaktionsschluß
Die DFG hat der Universität Stuttgart einen dritten Transferbereich bewilligt. Sprecher
des TFB Rotationsresonanzvibrometrie an Keramikbauteilen ist Prof. Dr. Gerhard
Busse (Tel. 0711/685-2627). Damit hat Stuttgart mal wieder einen neuen Rekord: Drei von
bundesweit vier TFBs laufen an der Uni Stuttgart. Eine Vorstellung des neuen TFB folgt im nächsten
Uni-Kurier.
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