Home           Inhalt
balken.gif (998 Byte)
Stuttgarter unikurier Nr. 77/78 Februar 1998
Tropfen auf den heißen Stein:
BAföG-Neuordnung unbefriedigend
 

Unbefriedigend ist die Mitte Januar vom Bundeskabinett beschlossene Neuordnung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG): Danach werden zum 1. Juli 1998 die Elternfreibeträge um sechs Prozent und die Bedarfssätze um zwei Prozent angehoben. Der BAföG-Höchstsatz steigt von 995,- DM auf 1.010,- DM. Positiv ist, daß künftig ein Master-Studium nach einem Bachelor-Abschluß nicht als Zweitstudium behandelt wird, sondern voll förderungswürdig ist. Zudem wurde Bundesbildungsminister Jürgen Rüttgers beauftragt, einen weiteren Gesetzentwurf zu erarbeiten, nach dem Kindergeld und Freibeträge an Leistungsnachweise gebunden sein werden. - Die Studierendenvertretung der Uni Stuttgart hatte sich für ein Sokkelmodell eingesetzt, das weitgehend mit den Forderungen aus den Ländern übereinstimmte. Die wichtigste Forderung nach einer bedarfsgerechten Ausbildungsförderung jedoch ist mit dieser 19. BAföG-Novelle nicht erreicht.

kleinbal.gif (902 Byte)
 

Als 1971 das BAföG in Kraft trat, stand in der Begründung zum Gesetzentwurf: „Der soziale Rechtsstaat, der soziale Unterschiede durch eine differenzierte Sozialordnung auszugleichen hat, ist verpflichtet, durch Gewährung individueller Ausbildungsförderung auf eine berufliche Chancengleichheit hinzuwirken.“ Und in §1 des BAföG wird vom Gesetzgeber der Grundsatz festgeschrieben: „Auf individuelle Ausbildungsförderung besteht für eine der Neigung, Eignung und Leistung entsprechende Ausbildung ein Rechtsanspruch nach Maßgabe dieses Gesetzes, wenn dem Auszubildenden die erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen.“

Seit dem Inkrafttreten 1971 wurden zahlreiche Änderungen vorgenommen, es gab in dieser Zeit allein 18 BAföG-Novellen. - Nach der ersten Fassung von 1971 wurde die Förderung noch als reiner Zuschuß gewährt. Mit den folgenden Novellierungen wurde ein Teil der Förderung nur noch als Darlehen ausgezahlt. Heute werden bis zu einer Förderungshöchstdauer von 50 Prozent der Förderung als Zuschuß und 50 Prozent als zinsloses Darlehen ausgezahlt, bei Überschreitung der Förderungshöchst-dauer wird unter besonderen Umständen (Zweitstudium, abgebrochenes Erststudium, ...) ein festverzinsliches Bankdarlehen gewährt. Dieses muß innerhalb von 20 Jahren nach Ende der Auszahlzeit zurückbezahlt werden, wobei die Rückzahlpflicht schon sechs Monate nach Ende der Förderungszeit beginnt.

Während der Förderzeit wird die Förderungswürdigkeit durch Leistungsnachweise überprüft. Der Maßstab für die Förderungswürdigkeit ist der Vollzeitstudent mit „durchschnittlichen Studienfortschritten“. Die Förderungshöchstdauer wurde mit der 18. BAföG-Novelle pauschal der Regelstudienzeit des betroffenen Studienganges angepaßt. Bei absehbarem Abschluß des Studiums wird eine Studienabschlußförderung für maximal 12 Monate als verzinsliches Bankdarlehen gewährt. In Härtefällen, wie Krankheit, Schwangerschaft oder Gremientätigkeit, kann die Förderungshöchstdauer verlängert werden.

Die Förderungshöhe bzw. -berechtigung ist abhängig vom anzurechnenden eigenen Einkommen, dem Vermögen des Ehepartners sowie dem der Eltern (familienabhängige Förderung). Der monatliche Förderbetrag wird über die BAföG-Freibeträge und willkürlich festgelegte Bedarfssätze ermittelt. Die unzureichende Anpassung der BAföG-Parameter an die realen Preisentwicklungen und die Bedürfnisse seit 1971 hat dazu geführt, daß 1994 den durchschnittlichen Ausgaben eines Studierenden (ledig, außerhalb des Elternhauses wohnend, im Erststudium) von ca. 1.231 DM/mtl. ein BAföG-Bedarfssatz von bisher 995 DM und künftig 1.010 DM (Förderhöchstsatz) gegenübersteht. Weiter ist durch Unterlassung der Anpassung der Freibeträge an die Steigerung der Einkommen und die Inflation die Zahl der Geförderten relativ zur Zahl der Studierenden, aber auch absolut stark gesunken. Der Anteil der Teilgeförderten an der Gesamtzahl der BAföG-Geförderten ist steigend, so daß zuletzt 1994 nur 17,6 Prozent der Studierenden BAföG erhielten und davon nur 28,3 Prozent den Förderungshöchstsatz, diese Zahlen lagen zum Beispiel 1982 noch bei 30,1 Prozent und 30,5 Prozent.

Die unzureichende Bemessung der Bedarfssätze und die geringe Zuteilung der Förderung durch zu niedrig angesetzte Freibeträge hat zur Folge, daß immer mehr Studierende neben ihrem Beruf „Studium“ zur Finanzierung ihres Lebensunterhaltes arbeiten müssen. 61 Prozent der Studierenden (alte Bundesländer) jobben heute auch während der Vorlesungszeit. Der Anteil der Einnahmen aus Erwerbsarbeit von „Normalstudenten“ ist von 19 Prozent 1982 auf 28 Prozent 1994 gestiegen, im gleichen Zeitraum fielen die Einnahmen aus dem BAföG von 25 Prozent auf nur noch 13 Prozent. Die Erwerbstätigkeit der Studierenden verlängert die Studiendauer (über die Förderungshöchstdauer hinaus) und reduziert für BAföG-Empfänger die zum Studium effektiv nutzbare Förderdauer. Auch die soziale Herkunft der Studierenden (alte Länder) hat sich zwischen 1982 und 1994 verschoben. Während der Anteil der Studierenden aus hohen (Bezeichnung aus der 14. Sozialerhebung des DSW) Schichten in den alten Bundesländern von 18 Prozent auf 27 Prozent stieg, fiel der Anteil aus niedrigen Schichten von 23 Prozent auf 14 Prozent.

Das BAföG ist auch nach der Neuregelung nicht mehr in der Lage, den bei seiner Einführung formulierten Anspruch auf „berufliche Chancengleichheit der jungen Menschen“ zu erfüllen. - Nicht erst die Einführung von Studiengebühren, sondern schon die unzureichende Ausbildungsförderung begrenzen die Studienmöglichkeiten von Kindern aus einkommensschwachen und kinderreichen Familien und führen so zur sozialen Selektion an den Hochschulen.

 

Resolution zur BAföG-Reform
Die Asten aus Aachen, Bonn, Dortmund, Düsseldorf und Wuppertal hatten im Vorfeld der aktuellen BAföG-Novelle eine Resolution erarbeitet, die bundesweit von vielen Studierendenvertretungen unterstützt wurde Auch die FaVeVe und die LandesAstenKonferenz Baden-Württemberg hatten sich den Forderungen angeschlossen. Der vollständige Text der Resolution ist auch weiterhin im „Hellblauen Nilpferd“ einsehbar.

 

(Siehe dazu auch: „Uni-Senat unterstützt Forderung der Studierenden“ in der Rubrik „Studium und Lehre“)

 

KONTAKT
Arbeitskreis Hochschulpolitik der FachschaftsvertreterInnenVersammlung im Hellblauen Nilpferd, Pfaffenwaldring 57, 70550 Stuttgart; Tel.: 0711/685-2004
e-mail: info@faveve.uni-stuttgart.de

 


last change: 09.06.98 / eng
Pressestelle der Universität Stuttgart 1998