Den Werkzeugen der mathematischen Modellierung und Simulation
kommt bei der Bearbeitung der sich daraus ergebenden Aufgabenstellungen eine wachsende
Bedeutung zu. Sowohl in der Verfahrenstechnik als auch in der Bioprozeßtechnik besteht
allerdings heute noch ein deutlich sichtbarer Modellierungsengpaß, der einerseits auf die
Komplexität des Zusammenspiels der physikalisch-chemischen und biologischen Teilvorgänge
und andererseits auf die breite Vielfalt der verfahrenstechnischen Grundoperationen und
Apparate zurückzuführen ist.
Zwei Schwerpunkte
Die Forschungsarbeiten des SFB gliedern sich in einen system- und methodenorientierten
Schwerpunkt sowie einen anwendungsorientierten Schwerpunkt. Beide Schwerpunkte basieren
auf einem breiten Fundament von Grundlagen aus den Bereichen der Natur- und
Ingenieurwissenschaften, der Informatik, der numerischen Mathematik sowie der
Systemtheorie.
Im anwendungsorientierten Schwerpunkt werden verschiedene Prozesse aus den Bereichen
der chemischen, thermischen, mechanischen Verfahrenstechnik sowie der Bioprozeßtechnik
untersucht. Exemplarisch soll an dieser Stelle das Projekt Methoden zur
Vereinfachung komplexer Modelle am Beispiel von Blasensäulenreaktoren" vorgestellt
werden.
Blasensäulenreaktoren
Blasensäulenreaktoren werden für Hydrierungen, Chlorierungen oder Partialoxidationen
eingesetzt. Ein Anwendungsbeispiel ist die Hydrierung von Pflanzenölen zur Herstellung
von Margarine. Blasensäulenreaktoren werden aber auch zum Beispiel in Kläranlagen zur
Sauerstoffzufuhr für Mikroorganismen verwendet. Das Prinzip eines Blasensäulenreaktors
beruht auf den nach oben aufsteigenden Blasen, die dabei in einem ständigen
Stoffaustausch mit ihrer Umgebung stehen. Die dreidimensionalen Simulationsergebnisse
einer mathematischen Modellierung der Vorgänge in einem solchen Blasensäulenreaktor
zeigt die Abbildung unten. Links (dynamic) ist der Zustand der Strömung zu einem
bestimmten Zeitpunkt dargestellt; rechts (long time averaged) das Ergebnis einer
Langzeitmittelung der Geschwindigkeitsprofile .
Reduktion der Komplexität
Die gezeigten Simulationsergebnisse stellen nur das hydrodynamische Verhalten der Blasen
dar. Um nun auch einen Blasensäulenreaktor mit Reaktionen und Stoffaustausch zu
berechnen, muß das vorliegende mathematische Modell vereinfacht werden, da der
Berechnungsaufwand für ein vollständiges Blasensäulenreaktor-Modell zu groß wäre.
Hierfür wurde ein aus mehreren Zonen bestehendes reduziertes Modell basierend auf dem
komplexen Modell entwickelt. Die Vermischungsströme wurden mit Hilfe der
Langzeitmittelungen der dreidimensionalen Strömung berechnet. Es stellte sich heraus,
daß auch mit dem reduzierten Blasensäulenreaktor-Modell das Verhalten des Prozesses
zufriedenstellend beschrieben werden kann.
Breit angelegte Aktivitäten auf der methodischen Seite bilden eine solide Basis, um im
Rahmen des anwendungsorientierten Bereichs konkrete Aufgabenstellungen der
Prozeßauslegung und Prozeßführung zu bearbeiten.
Grundlage aller Untersuchungen, die diese Apparate betreffen, muß stets ein fundiertes
Prozeßverständnis sein, das nur durch eine sorgfältige Analyse detaillierter und
experimentell verifizierter Prozeßmodelle gewonnen werden kann.
Die Untersuchungen zum Projektbereich Prozeßführung werden in der zweiten Phase des
SFB 412 in Angriff genommen.
Sprecher:
Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. mult. Ernst Dieter Gilles, Institut für Systemdynamik und
Regelungstechnik
Geschäftsstelle:
Institut für Systemdynamik und Regelungstechnik, Pfaffenwaldring 9, 70550 Stuttgart
Tel.:0711/685-6300
Fax: 0711/685-6371
http://www.isr.uni-stuttgart.de/sfb412/
Universität Stuttgart:
- Institut für Chemische Verfahrenstechnik
- Institut für Kunststofftechnologie
- Institut für Systemdynamik und Regelungstechnik
- Institut für Bioverfahrenstechnik
- Institut für Technische Thermodynamik und Thermische Verfahrenstechnik
- Institut A für Mechanik
- Institut für Mechanische Verfahrenstechnik
- Institut für Computeranwendungen
Laufzeit: 1996 (Beginn) bis Ende 1998, ab 1999 bis 2001 zweite
Förderungsphase beantragt