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Stuttgarter unikurier Nr. 77/78 Februar 1998
Internationalisierung an der Universität Stuttgart
 

Noch nie wurde dieser Begriff so „inflationär“ gebraucht wie heute. Zahlreiche Institutionen und Personen konkurrieren um die besten Konzepte zu seiner Umsetzung und um Unterstützung bei Politik und Geldgebern. Fast könnte man den Eindruck gewinnen, als sei dieser Begriff durch allzu häufigen Gebrauch bereits ein wenig abgenutzt... Es geht um Internationalisierung, ein ohne Zweifel zentrales Thema, und zwar nicht nur für Lehre und Forschung einer Universität. Internationalität ist eines der Grundelemente in der Wissenschaft. Insbesondere in der heutigen Zeit, die durch rasche technologische Innovationen mit weitreichenden Auswirkungen, politische Umbrüche und globale ökologische Probleme gekennzeichnet ist, eröffnen sich neue Herausforderungen für eine weltweite Zusammenarbeit. Nur wenn die Wissenschaft im weltweiten Wettbewerb besteht, kann die internationale Konkurrenzfähigkeit der deutschen Industrie gehalten werden. Damit ist auch das Ausbildungssystem gefordert, sich diesen Herausforderungen zu stellen. Die Universitäten müssen verstärkt in weltweite Austauschprogramme sowohl von Studierenden als auch von Wissenschaftlern eingebunden werden. Doch keine Sorge; der Stuttgarter Uni-Kurier wird das in Politik, Wissenschaft und Medien gerade in jüngster Zeit ausführlich dargestellte Thema hier nicht in epischer Breite - vielleicht ein wenig anders gegliedert - erneut aufrollen. Vielmehr dokumentiert der Uni-Kurier, wie weit die Internationalisierung an der Universität Stuttgart bereits gediehen ist - und zwar lange bevor dieser Begriff in aller Munde war - und an welchen Stellen es gilt, weitere Gestaltungsrahmen zu setzen, Impulse zu geben und neue Wege zu gehen. Gleichzeitig ist diese Darstellung mit der Bitte an alle Mitglieder der Universität verbunden, aktiv zum Gelingen einer Internationalisierungsinitiative beizutragen, die über die in zahlreichen Disziplinen bereits praktizierte weltweite Kooperation hinausgeht.

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Um der mit großer Sorge beobachteten abnehmenden Attraktivität für qualifizierte Studierende aus dem Ausland entgegenzuwirken, erweitert die Universität Stuttgart quer durch alle Disziplinen die internationale Zusammenarbeit in den Bereichen Lehre, Forschung und Weiterbildung. Die Universität kann auf zahlreichen gewachsenen Partnerschaften, Institutsvereinbarungen und formellen Austauschprogrammen mit Universitäten in aller Welt aufbauen, sie bleibt jedoch dabei nicht stehen. Mit neuen Angeboten und strukturellen Maßnahmen reagiert die Universität, die im übrigen bereits seit 15 Jahren den weltweit begehrten Aufbaustudiengang „Infrastructure Planning“ anbietet, auf die Notwendigkeit, für ausländische Studierende und auch für Wissenschaftler attraktiver zu werden.

 

Uni fördert internationale Studiengänge
Jüngster Baustein der aktuellen Internationalisierungsinitiative ist der in diesem Semester mit 20 ausländischen und 16 deutschen Studierenden erfolgreich angelaufene zweisprachige Studiengang WAREM (Water Resources Engineering and Management). Mit weiteren internationalen Studiengängen im zweiten Studienabschnitt, also vom Bachelor zum Master, will die Uni Stuttgart vor allem die künftigen Eliten des Auslands nach Deutschland locken. Der Verwaltungsrat hat im November ein Rahmenprogramm für fünf Jahre in einem Gesamtumfang von 1,5 Millionen DM pro Jahr beschlossen, in dem Masterstudiengänge gefördert werden sollen. Eine vom Rektorat eingesetzte Kommission zur Vorbereitung solcher Studiengänge soll insbesondere interdisziplinäre Angebote erkunden und empfehlen, wie sie sich zum Beispiel aus den Bereichen Computer Science, Materialwissenschaften, Umwelttechnologien, Energietechnik, Produktionstechnik, Bioverfahrenstechnik oder anderen ergeben können.

In solchen Studiengängen werden wie bei WAREM Ausländer und Deutsche gemeinsam studieren; so können Freundschaften entstehen, auf deren Basis weltweite Netze mit Leben erfüllt werden. Und so lernen auch die Stuttgarter Studierenden andere Kulturen und Denkweisen kennen; auf den globalen Wettbewerb sollen sie zudem künftig durch ein Pflichtsemester im Ausland vorbereitet werden.

 

Englischsprachiger Unterricht - Dissertationen in jeder Sprache
Doch nicht nur mit neuen Studiengängen versucht die Universität, die Attraktivität für junge Leute aus aller Welt zu steigern. Auch der Einstieg in das bestehende Studienangebot soll dem Nachwuchs aus dem Ausland erleichtert werden. Die Uni Stuttgart arbeitet hier in zwei Richtungen: Besonders in den Anfangssemestern werden englischsprachige Lehrveranstaltungen angeboten; verstärkt wird zudem der begleitende Deutschunterricht.

Die Fakultäten sind aufgerufen, Englischkomponenten auch in kleinen Schritten in die Vorlesungen und Übungen einzubauen - von zweisprachigen Folien über englische Textbücher bis zum Unterricht und zu Prüfungen in englischer Sprache. Gleichzeitig wird der Deutschunterricht für die ausländischen Gäste intensiviert, und zwar vor Studienbeginn und studienbegleitend; der Lehrbereich Deutsch als Fremdsprache wird ausgebaut. Und Dissertationen können ab sofort auch ohne das frühere aufwendige Genehmigungsverfahren in jeder Fremdsprache vorgelegt werden, sofern die Prüfungskommission zustimmt.

Darüber hinaus werden künftig Unterrichtseinheiten nach dem Credit-Point-System bewertet (für die Studiengänge Elektrotechnik und Architektur liegen bereits entsprechende Broschüren vor), und für erworbene Credits werden Zertifikate vergeben.

 

Servicepaket erleichtert den Einstieg -„Paten“ als Ansprechpartner
Eine wichtige Rolle spielt in Anlehnung an angelsächsische Gepflogenheiten die soziale Betreuung der ausländischen Gäste. Diese beginnt mit der Unterkunft und der parallelen Sprachausbildung und reicht bis zur persönlichen Betreuung im kulturellen Bereich. Als ersten Schritt in diese Richtung wird das Studentenwerk künftig ein Servicepaket für ausländische Studierende anbieten, das für einen Pauschalpreis Wohnung, Verpflegung in der Mensa und - wenn gewünscht - Krankenversicherung abdeckt. Für eine intensive persönliche Betreuung und als Ansprechpartner für alle Fragen des täglichen Lebens wird die Uni Stuttgart studentische Mitarbeiter als „Paten“ einsetzen

 

Weiterbildung - Internationalität ist seit langem geübte Praxis
Um auch die besten Doktoranden aus aller Welt anzuziehen, wird Englisch in den von der DFG eingerichteten Graduiertenkollegs als Unterrichtssprache einziehen. Übrigens ist Internationalität in der Weiterbildung sowohl für den wissenschaftlichen Nachwuchs als auch für Fachleute aus der Praxis an der Uni Stuttgart in vielen Disziplinen schon seit langem geübte Praxis. Erst im November lief beispielsweise am Institut für Bioverfahrenstechnik ein europäischer Kurs für Nachwuchswissenschaftler und Anwender aus der Industrie in dem neuen Arbeitsfeld „Quantitative Physiology and Metabolic Engineering“ mit Anwendungsgebieten in der Verbesserung biotechnischer Produktionsprozesse, in der Umweltbiotechnologie sowie in zahlreichen biomedizinischen Problemstellungen. Ebenfalls im November lief an der Uni Stuttgart eine Intensivstudienwoche im Rahmen der europaweit angebotenen Aufbaustudiengänge „Verkehrsplanung und Verkehrswesen“ für Fachleute vorwiegend aus den Niederlanden und Großbritannien. Das berufsbegleitend angebotene Studium schließt mit dem „Master of Science“ ab. Stuttgarter Partner für das von der englischen Nottingham Trent University und der niederländischen Noordelijke Hogeschool Leeuwarden initiierte Studienangebot ist das Institut für Eisenbahn- und Verkehrswesen; weitere Hochschulen aus sieben europäischen Ländern sind beteiligt.

 

Auch die Politik ist gefordert
Im Ausland wird das Studium an deutschen Universitäten oft als zu lang und zu wenig strukturiert empfunden. Hier gibt es einige Bereiche, die die Universitäten und eben auch die Universität Stuttgart aus eigener Kraft beeinflussen können, und andere, in denen die Politik gefordert ist. Unter anderem gilt es, das Durchschnittsalter der deutschen Absolventen zu senken. Dazu kann die - der Realität entsprechende und im Ausland häufig praktizierte - Differenzierung zwischen Teilzeit- und Vollzeitstudierenden beitragen; entsprechende Vorstöße in der Politik blieben bisher allerdings erfolglos. Vorbereitende Überlegungen gibt es an der Universität Stuttgart auch zu einem neuen berufsqualifizierenden Abschluß in Form eines Bachelor.

Ein wichtiger Aspekt sind die leider immer noch existierenden bürokratischen Hürden für ausländische Studierende und Wissenschaftler. Wenn Deutschland wirklich Partner der Welt sein will, müssen unter anderem die Einreisebestimmungen entbürokratisiert werden, muß die Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse erleichtert werden und es muß den ausländischen Gästen neben ihrem Studium auch eine Erwerbstätigkeit gestattet werden.

 

Internationalisierung in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft
Das Thema Internationalisierung hat sich nicht nur zu einem Schwerpunkt an der Universität Stuttgart entwikkelt; es hat die Dimension einer gesamtgesellschaftlichen Diskussion erreicht, die in dem Bemühen der Wirtschaft dieses Landes gipfelt, erhebliche Mittel bereitzustellen, um zusätzliche Programme auf der Basis privater Einrichtungen zu initiieren. Die Universitäten Stuttgart, Tübingen und Hohenheim erkennen hier eine Chance, über eine Kooperation mit der Wirtschaft in Form einer „private public partnership“ das Internationalisierungsprogramm Baden-Württembergs nachhaltig zu stärken. Hierzu wurde von den Rektoren ein Modell entwikkelt, das eine von der Wirtschaft gegründete Internationale Universität mit dem Namen „Stuttgart Institute of Management and Technology“ (SIMT) vorsieht, in dem die Leitungsgremien mit Vertretern aus Wirtschaft und Universitäten besetzt sind. Das SIMT soll im Herbst 1999 mit dem Studiengang „Masters of International Management“ starten. Weitere, ebenfalls besonders auf den Bedarf ausländischer Studierender zugeschnittene Studiengänge folgen. Für diese Studiengänge werden zwar - wie im Ausland üblich - Gebühren erhoben, dafür können sie jedoch in der Lehre deutlich besser ausgestattet werden, zum Beispiel mit Professoren aus dem Ausland als native speakers. Zudem bieten sich interessante Formen der Zusammenarbeit mit den staatlichen Einrichtungen an, von denen alle Seiten profitieren werden. Die Landesregierung unterstützt dieses Konzept, und man kann nur hoffen, daß sich hieraus ein weiterer Eckpfeiler des Gesamtprojekts „Internationalisierung des Studiums“ entwickeln wird.

Lesen Sie im folgenden, was an „Internationalisierungsbausteinen“ an der Uni Stuttgart bereits vorhanden ist - das ist eine ganze Menge -und was in naher Zukunft umgesetzt werden soll.       /zi

 


last change: 09.06.98 / eng
Pressestelle der Universität Stuttgart 1998